Teufel in High Heels
majestätischen Gebärde.
»Na endlich! Danke!«, plärrte Lucille, schmiss Vivian
ihren Mantel zu und bugsierte die ganze Schar zur Tür hinaus. »Lieber Gott! Wo gibt es denn so was?« Mandy schüttelte indigniert den Kopf.
»Also Montagmorgen sind Sie wieder zur Stelle, richtig?«, fragte Vivian, als wir in den Aufzug traten.
»Ja«, sagte ich - und fügte nach kurzem Schweigen hinzu: »Sie wissen schon, Vivian, dass Sie zur Hochzeit eingeladen waren.« Lucille hatte die Einladung verschickt, ohne mich zu fragen. Sie wollte das freudige Ereignis mit so vielen New Yorker Promis wie möglich aufpeppen.
»Ja, ich hab die Karte gesehen«, antwortete Vivian, in Gedanken offenbar woanders, und sparte sich jede Erklärung, warum sie auf eine Teilnahme verzichtet und uns nicht wenigstens Bescheid gegeben hatte. »Montag früh, Claire, und Sie melden sich gleich als Erstes bei mir. Wir haben eine Menge durchzugehen. Nicht zu glauben, da muss ich Ihnen durch die halbe Stadt nachjagen - ich kann mich schließlich nicht ständig nach Ihnen richten, ist das klar!«
»Völlig verrückt, die eine wie die andere«, zischte Lucille und drückte auf den Knopf, der die Aufzugtür schloss. Dieses eine Mal war ich geneigt, ihr recht zu geben.
Bis zum Erdgeschoss herrschte in der Kabine Grabesstille. Die dicke Luft erinnerte mich an meine Aufzugfahrt mit Lulu, die nun schon so viele Monate zurücklag. Was sie wohl an diesem Wochenende tat? Saß sie im Büro fest? Es sollte nicht meine Sorge sein - Lulu hatte mir seit meinem ersten Tag bei Grant Books nichts als Schwierigkeiten bereitet -, aber irgendwie tat sie mir leid. Ein bisschen jedenfalls.
Als wir aus dem Hotel herauskamen, marschierte Vivian schnurstracks auf eine Mietlimousine mit Chauffeur zu und stieg ohne ein Abschiedswort ein. »Lulu, wo zum Henker
stecken Sie«, hörte ich sie durch das offene Wagenfenster in ihr Handy blaffen. »Ich muss dringend ein paar Sachen mit Ihnen durchsprechen. Rufen Sie mich auf der Stelle zurück, sobald Sie die Nachricht hier hören.« Ich sah, wie sie rasch eine weitere Nummer eintippte.
»Fahren Sie los!«, schnauzte sie den Fahrer an, worauf die Limousine sich mit quietschenden Reifen in Bewegung setzte.
Bea und Mom halfen mir beim Einsteigen in einen der beiden weißen Bentleys, die vor dem Hotel parkten. Lucille und Mandy fuhren zusammen in dem anderen, um vor Beginn der Schlacht letzte strategische Details zu klären. Von allen Seiten kamen hilfreiche Hände und drapierten mein Kleid möglichst faltenfrei.
» Mon Dieu, Sie sind so blass!«, klagte Jacques, beugte sich durch die offene Autotür herein und bearbeitete meine Wangen mit Pinsel und Rouge. »So, jetzt ist bessörr .« Er warf uns Luftküsse zu und trat vom Wagen zurück.
Alle Bräute bekommen kalte Füße , sagte ich mir, während Bea für die Fahrt zur Kirche drei weitere Gläser mit Champagner füllte. Meine Mutter, die praktisch nie etwas trinkt, kippte ihres in Rekordzeit hinunter.
Mit der Ehe geht man eine bedeutsame Verpflichtung ein. Mir wäre auf jeden Fall bange, ganz gleich, wer da vorn am Altar stünde.
Der Wagen setzte sich Richtung Kirche in Gang. Noch zwanzig Querstraßen. Ich betete um rote Ampeln. Ich brauchte einfach noch ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken. Nur ein paar Minuten extra, um einen klaren Kopf zu bekommen. Es war alles zu schnell gegangen. Kein Wunder, dass ich Panik verspürte. Schließlich hatte sich im Lauf
eines knappen Jahrs mein Leben bis zur Unkenntlichkeit gewandelt.
Hätte ich mir vor einem Jahr etwa träumen lassen, dass ich Randall Cox heiraten würde - den erfolgreichsten, bestaussehenden Mann, den ich kannte, den Mann meiner Träume seit Collegezeiten?
Und hätte ich mir wohl je ausgemalt, dass ich schon jetzt als Lektorin an solch hochkarätigen Büchern arbeiten würde? Sicher, ich hatte auch einen Haufen Schund in den Fingern gehabt und mich bei Grant Books mit einem Haufen Verrückter herumgeschlagen, war aber andererseits maßgeblich am Zustandekommen von vier Titeln beteiligt gewesen, die es auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft hatten, und hatte ein höchst bemerkenswertes literarisches Werk lektoriert. Luke … den Gedanken an ihn verdrängte ich rasch wieder, wie stets in den vergangenen sechs Wochen … oder eigentlich schon länger.
Was war nur mit mir los? Mein Leben hatte sich doch so viel besser entwickelt, als ich es mir noch vor einem Jahr hätte vorstellen können. Warum hatte ich dann
Weitere Kostenlose Bücher