Teufel - Thriller
wurde nach Süditalien versetzt und bekam einen Dienstwagen, jetzt braucht er den Audi nicht mehr. Ich hatte ihn hier bei der Tankstelle geparkt, aber nun muss ich ihn wegfahren. Die bauen hier um und benötigen den Platz.« Er zog den Schlüssel aus der Tasche und wollte einsteigen, doch Bertucci hielt ihn auf.
»Das trifft sich gut, ich suche ein Auto. Was soll er kosten?«
Der Mann blickte ihn überrascht an. »Im Ernst? Das ist eigentlich ein S3, die stärker motorisierte Variante des A3. Mein Sohn will 5500 Euro haben, aber ich gebe ihn auch für 5000 her. Ich wüsste nicht mehr, wo ich ihn hinstellen soll. Schauen Sie sich doch um! Baustellen und Umleitungen, wohin man blickt.«
Der Advocatus Diaboli lächelte und klopfte mit der flachen Hand auf das Dach des Audi. »Lassen Sie uns verhandeln.«
2. Juni 1815, Mailand, Dipartimento dell’ Olona/ Italien
L ouis Ferrand senkte den Blick und zog den Hut tiefer ins Gesicht. Völlig unbeschwert hatte er vor wenigen Minuten noch die Piazza Maria delle Grazie überquert, die warme Sonne genossen und seine Blicke über den weitläufigen Platz schweifen lassen. Er hatte über die Händler, die hübschen Wäscherinnen mit ihren vollen Körben und die Kirchgänger gelächelt, völlig sorglos und entspannt. Jetzt musste er plötzlich wieder auf der Hut sein.
Gerade noch rechtzeitig hatte der Franzose die Männer bemerkt, die aus der Türe des zweigeschossigen Hauses gekommen waren, das sich an das alte Dominikanerkloster schmiegte. Ferrand zog unwillkürlich den Kopf ein und vermied es, die Fremden direkt anzusehen. Er beschleunigte seinen Schritt, eilte geschwind auf das Portal der Klosterkirche zu. Hatte er die Aufmerksamkeit der eleganten Herren auf sich gezogen? Niemand außer dem Orden wusste, dass er hier war, und so sollte es auch bleiben.
Im Schatten der ausladenden Backsteinfassade der Kirche beugte Ferrand sich interessiert über den Bauchladen eines Wanderhändlers. Aus den Augenwinkeln jedoch beobachtete er das kleine Grüppchen, bis es ins Gespräch vertieft hinter seinem Rücken vorbeigegangen war. Die Männer waren offensichtlich gut gelaunt, trugen keine Ordenskleider und sprachen untereinander Deutsch. Kein gutes Zeichen, dachte Ferrand und schnalzte kaum hörbar mit der Zunge, während der Händler sogleich enthusiastisch auf ihn einredete und ihm ein paar Bögen bedrucktes Papier in die Hand drückte. Aber der Abbé schenkte der Ware keine echte Aufmerksamkeit.
Ferrand hatte gehofft, dass der Kongress in Wien und die überraschende Rückkehr Napoleons aus Elba die Welt im Moment vollauf beschäftigen würde und sein Interesse an dem Dominikanerkloster in Mailand keine Aufmerksamkeit erregen würde. Er hatte sich getäuscht. Ferrand verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. »Wenn das keine Spione aus Wien sind, dann bin ich der Heilige Vater«, murmelte er und hoffte, dass es nicht schon zu spät war.
Der Händler hatte Ferrands missbilligende Miene auf seine Blätter bezogen und reagierte prompt. Schnell nahm er dem Franzosen die Grafiken wieder weg und gab ihm eine andere Mappe zur Ansicht. Ferrand schlug die Mappe auf und nahm zum ersten Mal bewusst die Drucke wahr. Er sah elegante Galane, die sich über halb nackte Kokotten beugten. Deutlich waren ihre erregten Geschlechtsorgane zu erkennen. Der Franzose räusperte sich und schlug rasch den Deckel wieder zu. »Danke, kein Interesse«, sagte Ferrand bestimmt und sah sich sofort verlegen nach allen Seiten um. Doch niemand beachtete ihn.
Ferrand hatte sein schwarzes Habit abgelegt und sah in seinem Anzug aus wie ein ganz normaler Reisender aus besserer Gesellschaft. Zur Versöhnung gab er dem Händler eine Münze und klopfte ihm zum Abschied jovial auf die Schulter. Dann schwang er seinen Spazierstock und marschierte schnurstracks auf die Türe zu, aus der die Deutschen gekommen waren.
Nach mehrfachen Zügen an der Glockenschnur ertönten Schritte auf der anderen Seite der Pforte. Ein Dominikanerpater steckte seinen Kopf durch eine Luke und sah ihn interessiert an. »Ja bitte?«
Der Abbé nahm seinen Hut ab, deutete eine Verneigung an und überreichte dem Pförtner eine elegante Visitenkarte. »Gerome Lecomtes, Kunsthändler aus Paris. Ich bin mit Monsieur Giacomo Raffaelli wegen seiner Kopie des Cenacolo verabredet. Wenn Sie mich bitte anmelden wollen!« Ferrand lächelte einnehmend, zog seine Handschuhe höher über die Narben an seinen Handgelenken und klemmte sich den Spazierstock unter
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