Teufel - Thriller
prophezeite Retter oder Messias sein. Warum? Weil er gar nicht mit ihm verwandt ist. Das passt doch nicht zusammen!«
»Genau das ist das Problem«, bestätigte Frascelli.
»Schön, dass sich die beiden Herren einig sind«, stellte Eddy lakonisch fest. »Ich habe nämlich gerade irgendwo den Faden verloren… Aber eines weiß ich noch, Hochwürden. Sie sind uns noch immer die Antwort schuldig geblieben, warum ausgerechnet Jesus dieser Mann sein soll, der Zwietracht sät.«
Frascelli blickte hoch zu dem Mosaik und sagte: »Lassen Sie mich das Thomasevangelium zitieren. › Jesus spricht: Wo drei Götter sind, sind sie gottlos. Und wo einer allein ist, sage ich: Ich bin mit ihm. ‹ Das ist eine klare Absage an die Dreifaltigkeit und gegen das Bekenntnis von Nicäa.«
Barbara, die bisher still daneben gestanden war, war blass geworden.
»Noch immer keine Antwort auf meine Frage«, beharrte Sina.
»Hier, da ist sie doch!« Frascelli wies auf den Apostel Thomas direkt neben Jesus. »Im sechzehnten Spruch des Thomasevangeliums sagt Jesus: › Vielleicht denken die Menschen, dass ich gekommen bin, Frieden in die Welt zu werfen. Doch sie wissen nicht, dass ich gekommen bin, Zwistigkeiten auf die Erde zu werfen: Feuer, Schwert, Krieg. Es werden nämlich fünf in einem Haus sein: Es werden drei gegen zwei sein und zwei gegen drei, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater. Und sie werden dastehen als Einzelne. ‹ «
»Hecimanneswisa. Tatsächlich«, raunte Georg. »Die Wiese des Jesus, der nicht gekommen ist, Frieden, sondern Zwistigkeit auf die Welt zu werfen. Und Azzo weiht seine Kirche an diesem Ort dementsprechend den zwei Aposteln Jakobus und Philippus. Den dritten Apostel muss man im Geiste ergänzen, um das Gesamte zu begreifen.«
»Und in der Kirche von Schöngrabern«, murmelte Buchegger vor sich hin, »sind nur drei Apostelreliefs aus der Zeit der Kuenringer erhalten…«
»Oder jemals angefertigt worden«, ergänzte Sina. »Jakobus, Philippus und Thomas!«
Der alte Priester räusperte sich. »Wenn Sie sich die Hand des Petrus ansehen, ist sie im Verhältnis zum Körper viel zu groß gemalt. Mit Sicherheit aus voller Absicht, denn sie hält ein verborgenes Messer. Judas im Vordergrund hält einen Geldbeutel fest in der Hand. Einer Legende nach hat ihm Leonardo das Gesicht des Abtes, seines Auftraggebers, gegeben. Die einzige Zweiergruppe auf dem Gemälde Leonardos bilden also Petrus und Judas Iskariot, der Verräter. Oder wollte da Vinci sagen, diese zwei Apostel sind die beiden Verräter, die mit Jesus an einem Tisch sitzen?«
»Es werden drei gegen zwei und zwei gegen drei sein …«, zitierte Sina düster. »Die beiden stehen meiner Ansicht nach eindeutig für die römische Kirche, die der wahren Kirche Christi, den Arianern, nachstellt und die reine Lehre für Reichtum und weltliche Macht verraten hat«, sagte er dann grimmig. »Und der Zwerg im Teufelsfresko von Schöngrabern ist demnach Athanasius, der Anführer der Verfechter der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der von missgünstigen Zeitgenossen als kleinwüchsig und dunkelhäutig beschrieben wird. Der Satan auf dem Wandbild diktiert ihm das Bekenntnis von Nicäa.«
»Das ist Blasphemie!«, keuchte Buchegger.
»Natürlich. Sonst wären die Arianer in den Augen Roms auch keine unheiligen Ketzer«, antwortete Georg knapp. Er wandte sich dem alten Pfarrer zu. »Gut, mir wird jetzt einiges klar, Frascelli. Jesus war Mensch und nicht Gott. Dieses Abendmahl sagt mir, dass die Arianer die reine Lehre vertreten. Und sogar Leonardo war einer von ihnen…«
Barbara schüttelte mit schmalen Lippen den Kopf und wandte sich demonstrativ ab.
»Und Sie, ein katholischer Priester, sind heute ebenso Arianer«, konstatierte Sina. »Ist Mayröcker auch einer? Wenn Sie recht haben, dann stammt die Reliquie, die ich suche, von niemand Geringerem als von Jesus Christus selbst, weil er ein Mensch und eben nicht Gott gewesen ist.«
»Pfarrer Mayröcker ist tot«, meinte Frascelli düster. »Er ist zum Märtyrer geworden, verbrannt in seinem Beichtstuhl wie auf einem Scheiterhaufen. Es war heute in den Nachrichten.« Der Geistliche biss die Zähne zusammen, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Und da ist noch mehr, das Sie wissen sollten«, setzte er hinzu.
In diesem Moment hörte Georg erregte Stimmen vom Eingang. Eddys Leute diskutierten mit jemandem, der versuchte, die Minoritenkirche zu betreten.
Via Silla, Rom/Italien
P aolo Bertucci lief
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