Teufel - Thriller
die Gasse zu bekommen, um gefahrlos alles von ihm zu erfahren.
Der Italiener war nicht zu bremsen. »Ich habe in den vergangenen Jahren das Werk Leonardos eingehend studiert und die beste Kopie davon erschaffen, die es gibt. Ja, ich behaupte sogar, dass mein Mosaik besser als das Original geworden ist, denn seine Farben werden anders als bei der Malerei niemals verblassen.«
So Gott will, dachte der Jesuit. Raffaelli hatte es gerade selbst in die Welt hinausposaunt. Er hatte das Abendmahl studiert, eingehender und länger als jeder vor ihm. Was hatte er also herausgelesen? Und wie viel davon hatte er seinem Käufer verraten?
»Nun ja, Monsieur Raffaelli…«, begann Ferrand in freundschaftlichem Ton. »Dann gratuliere ich Euch recht herzlich zu Eurem guten Geschäft.« Er streckte seine Hand aus, die der Italiener begeistert ergriff und schüttelte.
»Ich wusste, Ihr würdet es verstehen«, freute sich der Italiener. »Ihr seid tief in Eurem Herzen ein Händler, genau wie ich. Certo, ich bin auch ein begnadeter und genialer Künstler. Aber auch ich muss von etwas leben, meine Rechnungen bezahlen…« Er fasste sich mit der Linken demonstrativ an die Brust.
Also doch vor allem knapp bei Kasse, dachte der Jesuit. Angesichts seiner Leibesfülle sprach der geniale Künstler wohl nur zu gern und oft dem Wein zu. »Wie alt seid Ihr, Monsieur Raffaelli? Sechzig?«, erkundigte er sich listig.
Raffaelli drohte grinsend mit seinem Zeigefinger. »Ihr seid ein kluger Mann, Signore Lecomtes. Oder Ihr habt einfach nur gut geraten. Meine Mama hat mich 1753 geboren.«
»Zweiundsechzig also«, lächelte Ferrand. »Ich selbst bin fünfundsechzig, auch wenn ich mit meinen weißen Haaren viel älter wirke. Wir beide sind also Männer im besten Alter und erfahrene Kaufleute, wir kennen alle Tricks…« Er zwinkerte schelmisch. »Kein Grund also, uns gegenseitig gram zu sein wegen eines misslungenen Geschäfts. Lassen Sie uns einen Schluck Wein zusammen trinken, mein Freund. Meine Enttäuschung fortspülen und Euren Erfolg begießen! Was haltet Ihr davon?«
Der Italiener lachte auf und klatschte in die Hände. »Eine ganz vorzügliche Idee! Nicht weit vom Kloster kenne ich eine Taverne, die einen ganz hervorragenden Tropfen…« Er unterbrach sich und legte Ferrand die Hand auf die Schulter. »Wollt Ihr das Werk sehen, bevor es abgeholt wird?«, erkundigte er sich ernst, und in seinen Augen erschien so etwas wie echtes Mitgefühl für den weit gereisten, aber zuletzt leer ausgegangenen Kunsthändler. »Ihr habt den ganzen weiten Weg hierher von Paris gemacht, da solltet Ihr doch zumindest die Tafeln einmal angeschaut haben…«
Ferrand hob abwehrend die Hände. »Nein danke!«, rief er aus. »Es gehört nicht mir, und ich will mir den Mund nicht wässrig machen.«
Gnädig nickte Raffaelli. »Sehr weise von Euch, Monsieur Lecomtes. Das Ergebnis meiner Mühen ist einfach großartig! Wahrlich eines Kaisers würdig. Aber in der Taverne unterhalten wir uns dann ganz gemütlich weiter.« Er verschwand, um den Mönch zu holen, der ihnen die Pforte aufsperren würde.
»O ja, das werden wir. Ganz gewiss«, murmelte Ferrand. »Euer Bild ist also nur eines Kaisers würdig?« Er blickte dem dicken Italiener hinterher. Bis zu seinem Exil hatte sich außer Napoleon niemand für diese Kopie interessiert, aber jetzt musste sie plötzlich hinter verschlossenen Klostermauern vor Dieben geschützt werden? Irgendetwas war inzwischen geschehen, das sogar Geheimpolizei aus Wien hergelockt hatte. Aber was? War der neugierige Zwerg Jauerling aus Wien bei seiner Suche etwa näher an das Geheimnis gekommen, als alle vermutet hatten? Näher, als es für ihn und für die ganze Welt gut war? Er hätte Jauerling niemals aus Lucedio entkommen lassen dürfen, bedauerte der Jesuit, aber jetzt war es zu spät. Bei Raffaelli würde er denselben Fehler kein zweites Mal machen …
Wenige Minuten später saßen sie an einem schweren, dunklen Holztisch in der nahen Taverne, und Raffaelli sprach ausgelassen dem Wein zu. Er feierte das Leben und sich selbst, leerte Becher um Becher, redete und redete. Er erzählte von sich und seinen unersetzlichen Leistungen für die Kunst, berichtete davon, wie viel Mühe und Disziplin es brauchte, Hunderttausende winziger Glassteinchen zu einer nahtlosen Oberfläche zu vereinen.
Ferrand hatte sein Kinn auf den Arm gestützt und hörte zu, stundenlang, wie es ihm schien. Gelegentlich nahm er einen Schluck Wein oder aß ein Stück
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