Teufel - Thriller
Brot. Dann bestellte er einen neuen Krug, den Raffaelli gierig ergriff und sich großzügig einschenkte. Einige weitere Krüge später beugte sich der Italiener unvermittelt zu dem Abbé und flüsterte: »Soll ich Euch ein Geheimnis verraten, Signore Lecomtes?«
Endlich, dachte Ferrand, der Karpfen zappelt am Haken. »Ich bitte darum, mein lieber Raffaelli. Jetzt, wo wir so gute Freunde sind, umso mehr.«
»Wollt Ihr wissen, wer mein Mosaik gekauft hat?« Der beschwipste Künstler zwinkerte verschwörerisch und fuhr sich über den Bauch. »Niemand Geringerer als der Kaiser von Österreich! Mein Bild kommt doch noch an einen adligen Hof, wo es auch hingehört. In das Schloss Belvedere!«
»Großartig, ganz famos«, erwiderte Ferrand und tätschelte Raffaellis Unterarm. »Da habt Ihr wahrhaft Glück gehabt, mein Freund.« Seine Hand glitt in die Rocktasche.
»Nur, dass ich Ihro Gnaden nicht alles verraten habe, was ich weiß…« Der Italiener kicherte und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Euch kann ich es ja getrost sagen, Ihr seid Franzose und mein Freund. Ich bin Bonapartist, habe wie so viele andere auch an die Revolution geglaubt, an das Ende der alten Ordnung. Aber jetzt ist alles hin…« Er seufzte. »Ich glaube nicht mehr, dass der Kaiser noch einmal das Ruder herumreißen kann. Nicht ohne mich, nicht ohne Raffaelli und sein Mosaik.«
Ferrand zog die Brauen nach oben. »Was meint Ihr damit?«
»Bevor ich Euch das verrate, müsst Ihr mir versprechen, für immer darüber zu schweigen!«, forderte der Italiener und schlug zur Bekräftigung mit der Faust auf den Tisch.
Der Abbé zuckte zusammen und nickte dann enthusiastisch. »Natürlich, mein Wort als Ehrenmann! Vive Napoléon, vive la France!«, rief er halblaut und vergewisserte sich, dass sich die übrigen Gäste nicht um sie kümmerten. Keine Uniformen im Raum. Zufrieden wandte er sich wieder Raffaelli zu. »Erzählt ruhig, was Ihr herausgefunden habt für den Kaiser. Ich wollte es Napoleon ohnedies mitteilen, gleich nach meiner Rückkehr nach Paris…«
»O weh!«, schnaufte Raffaelli. »Da habe ich wohl jetzt an den Falschen verkauft.« Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er nahm einen tiefen Schluck.
»Schwamm drüber, lieber Freund«, beruhigte ihn Ferrand. »Ihr könnt diese Scharte ganz leicht wieder auswetzen…«
»Wie?«, fragte der Italiener hilflos.
»Verratet mir genau, was Ihr in dem Bild von da Vinci gelesen habt. Ich will die Nachricht zum Kaiser tragen. Ihr werdet sehen, alles wird wieder gut.« Ferrand lächelte freundlich und spannte heimlich den Hahn seiner Pistole.
»Dann hört mir jetzt genau zu«, flüsterte Raffaelli und rückte dicht an Ferrand. »Wir haben doch schon immer geahnt, dass mehr in diesem Bild steckt als nur das Letzte Abendmahl. Oder?«
Der Jesuit nickte stumm.
»Napoleon hat mich ausgesucht, dieses Mehr zu entschlüsseln. Darum habe ich mich auch acht Jahre mit dem Bild beschäftigt. Eine bloße Kopie hätte ich schneller geschafft, glaubt mir.« Raffaelli führte ein weiteres Mal den Becher zum Mund. »Es war nicht leicht, aber …«
Ferrand hielt die Pistole fest in seiner Tasche umklammert. Er hasste, was er wohl gleich tun würde, aber es war notwendig und er selbst nur ein unbedeutender und gehorsamer Soldat Christi.
»Die Botschaft des Bildes ist klar…«, erläuterte derweil Raffaelli. »Jesus ist ein Mensch. Genauso ein blöder Madensack wie Sie und ich.« Der Italiener lachte und tippte erst Ferrand und dann sich selbst mit dem Zeigefinger an die Brust. »Und auch wieder nicht…«, kicherte er dann. »Dieser Jesus von da Vinci hat etwas ganz Besonderes, etwas, das ihn von den anderen Kriechern im Staub unsrer Erde unterscheidet. Und das ist der Heilige Geist, mein Freund. Er macht aus ihm etwas ganz Spezielles, ein Gefäß Gottes.«
»Einen Krug von Kana…«, murmelte Ferrand und ließ für einen Moment die Pistole los. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Ihr kennt Euch aus«, meinte Raffaelli bewundernd. »Dann wisst Ihr ja auch, dass immer wieder so ein paar Spinner in dem Jünger Johannes eine Frau erkennen wollen. Maria Magdalena. Das hat der Kaiser leider auch geglaubt.« Der Italiener seufzte und schenkte sich nach.
»Und, ist es falsch?«, wollte der Abbé wissen und rückte wieder dichter an Raffaelli heran. »Keine Frau? Keine Hochzeit und damit keine Blutlinie?«
»Wenn es doch nur so einfach wäre«, stöhnte der Künstler und leerte seinen Becher mit
Weitere Kostenlose Bücher