Teufel - Thriller
österreichischen Infanterieregiment der Hoch- und Deutschmeister in die Hände fallen. In wessen Auftrag sie handelten, konnte niemals geklärt werden. Fest steht, dass sie wussten, was da von Paris nach Rom transportiert wurde und wann. Woher? Darüber zerbrechen sich die Historiker bis heute den Kopf.«
»Jauerling und sein Archiv«, murmelte Valerie und sah Bertucci an. »Und der Staatskanzler Metternich, der alte Fuchs, wusste es.«
Meitner sah sie fragend an, aber Goldmann winkte ab.
»Die Truppen machten sich auf den Weg nach Wien«, fuhr der Professor fort, »aber von da an ging alles schief. Unglaubliche Gewitterstürme mit Blitz und Schnee, Hagel und Eiseskälte brachen über die Soldaten herein. Ein Wintereinbruch, wie er nur alle hundert Jahre vorkam, tobte in den Alpen und machte die Wege unpassierbar. Riesige Mengen Schnee stürzten als Lawinen ins Tal, verschütteten Mensch und Tier. Hunderte Tote säumten die Straßen und Pfade, die Soldaten erfroren reihenweise. Dann ging auch noch die Verpflegung zur Neige.« Meitner blätterte um. »Als die Einheit in Wien ankam, war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Aber sie hatte das Archiv in die Hauptstadt gebracht, wie befohlen, allem Unbill zum Trotz. Jetzt stellte sich die Frage – wohin damit? Wo war es sicher?«
Der Historiker griff zu einem anderen Buch, das in seiner Mitte ein Lesezeichen hatte. »Staatskanzler Metternich, der so gut wie sicher bei dem Vorfall am Taro seine Finger im Spiel hatte, musste eine Entscheidung treffen – und er hatte einen genialen Einfall. Wie aus den Aufzeichnungen seines Sekretärs hervorgeht, wurden › Kisten und Körbe fuhrwerkeweise ‹ unverzüglich in sein Palais am Rennweg gebracht. Nachdem durch Zufall im vergangenen Jahr die Gruft Jauerlings entdeckt wurde, ist mir auch klar, wo das Archiv fast fünfzig Jahre lang aufbewahrt wurde: in dem roten, unterirdischen Raum mit dem großen steinernen Kreuz.«
»Sie meinen, das Vatikanische Geheimarchiv lag in einer Gruft?« Bertucci beugte sich vor und schaute Meitner ungläubig an.
»Einer sehr großen Gruft«, präzisierte der Historiker. »Eher einem unterirdischen kleinen Saal, in dem auch ein großer Bagger Platz hatte. Aber das ist eine andere Geschichte, die Ihnen Frau Goldmann sicher gern einmal erzählt.« Meitner lächelte. »Der Vorteil für Metternich lag auf der Hand. Er hatte die wertvollen Akten stets griffbereit, niemand wusste, wo sie waren, er brauchte keinem Menschen vertrauen, und der Zugang war nur durch sein Palais möglich. Ein idealer Platz.«
»Beschützt durch den Leiter des Schwarzen Bureaus persönlich und das Patriarchenkreuz«, ergänzte Valerie. »Wie ging es weiter?«
»Metternichs Glanz als Politiker erlosch 1848, er wurde zur Abdankung und zum Verlassen des Landes gezwungen. Es kam für ihn nicht infrage, das Archiv zurückzulassen, andererseits konnte er es nicht ins Exil nach London mitnehmen. Dasselbe galt übrigens für das Archiv des Schwarzen Bureaus, die Aufzeichnungen Jauerlings. Während Metternich die Aufzeichnungen seines treuen Freundes und Ratgebers unter einer Bodenplatte der Kirche von Maria Laach versteckte, ließ er das Archiv in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nordwärts bringen, ins Waldviertel, ins Schloss Horn. Ein Augenzeuge berichtete später, dass sich die Kutscher geweigert hätten, bei Dunkelheit zu fahren, aber der Kanzler wollte um keinen Preis das Risiko eines Transports bei Tageslicht eingehen. Also verdoppelte, ja verdreifachte er den Lohn der Fuhrwerker. Doch irgendetwas musste auf dieser Fahrt geschehen sein.« Meitner nahm seine Brille ab und putzte sie hingebungsvoll. »Ein weiterer Bericht erzählt, dass die Kutscher auf dieser Fahrt weiße Haare bekommen hätten und niemals über die Ereignisse in dieser Nacht sprachen.«
»Aberglauben«, murmelte Bertucci kopfschüttelnd.
Meitner blickte auf und runzelte die Stirn. »Wie auch immer«, fuhr er fort, »das Archiv blieb nicht lange auf Schloss Horn. Im August 1866 machte die Preußische Elbe-Armee hier Quartier mit achttausend Mann. Sie entdeckte offenbar die Dokumentensammlung und beschloss, sie als Kriegsbeute mitzunehmen. Metternich war seit sieben Jahren tot, in Horn wusste niemand so recht, was mit den Kisten und Körben geschehen sollte – und wer wollte sich einem Heer von achttausend Mann widersetzen? Also zog das Archiv erneut nordwärts – und mit ihm der Tod.« »Wieso das?«, erkundigte sich Valerie erstaunt. »Die Cholera«,
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