Teufel - Thriller
antwortete Meitner. »Die Armee, die man auch als › die verdammte ‹ bezeichnete, wurde von der Krankheit dezimiert wie Schnee im Frühling. Hunderte, ja Tausende fielen ihr zum Opfer.« »Man könnte wirklich annehmen, dieses Archiv stehe unter keinem guten Stern«, räumte Bertucci ein.
»Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach Rudel von Wölfen und wilden Hunden unablässig die Soldaten angegriffen und einige von ihnen in Stücke gerissen hätten«, fuhr Meitner fort. »Die ersten Stimmen wurden laut, die von einem Unglücksarchiv sprachen, das man so rasch wie möglich wieder loswerden sollte. Wie auch immer, ab hier verliert sich der Weg der Dokumente das erste Mal völlig im Dunkel der Geschichte.«
»Was unternahm der Vatikan in dieser Zeit?«, wollte Valerie wissen.
»Der Heilige Stuhl benützte alle seine diplomatischen und kirchlichen Kanäle, um Informationen über den Verbleib des verschwundenen Archivteils zu erhalten«, stellte der Historiker nachdenklich fest. »Während Papst Leo XIII. im Jahr 1888 die Päpstlichen Archive für Gelehrte öffnete, zumindest auf dem Papier, ging im Hintergrund die Jagd nach den Dokumenten weiter. Ohne Erfolg. Dann kam der Erste Weltkrieg, und Europa stürzte ins Chaos.«
»Keine Vermutungen? Keine Legenden? Fünfzig Jahre lang nicht der kleinste Hinweis?« Bertucci konnte es nicht glauben.
»Eminenz, ich habe Ihnen schon eingangs gesagt, es gibt Abschnitte in dieser Geschichte, die sich nicht belegen lassen.« Meitner lächelte geheimnisvoll. »Aber wenn Sie möchten, dann können wir einen Augenblick das harte Pflaster der Tatsachen verlassen und uns in die Gefilde der Vermutungen begeben. Es gibt Stimmen, die das verschwundene Archiv mit dem kleinen Ort Rennes-le-Château in den Pyrenäen und dem Priester Béranger Saunière in Verbindung bringen, der mit einem Mal um die Jahrhundertwende reich und mächtig wurde. Erpresste er den Vatikan mit seinem Wissen? War das Archiv in der ehemaligen Hauptstadt der Westgoten versteckt oder in einer der Burgen in der Umgebung? Oder war es in der Provence, in die zu Beginn der 30er-Jahre Heinrich Himmler den Gralsforscher Otto Rahn schickte? Auf Montségur, der letzten Festung der Katharer?«
Der Historiker zuckte mit den Schultern. »Sie sehen, den Vermutungen sind keine Grenzen gesetzt. Aber kommen wir zurück zu den Tatsachen, die sind seltsam genug. Im Juli 1933 konnte Adolf Hitler seinen ersten außenpolitischen Erfolg durch das Konkordat mit dem Vatikan verbuchen, das ihn als gleichberechtigten Vertragspartner auf der internationalen Bühne einführte und die Isolation erstmals durchbrach. Könnte es darauf zurückzuführen sein, dass Hitler dem damaligen Papst seinen Trumpf zeigte, sich jedoch hütete, ihn zurückzugeben? Erklärt sich damit auch die Politik des Heiligen Stuhls gegenüber den Nationalsozialisten bis nach dem Krieg, als die braunen Ratten das sinkende Schiff Europa verließen, mit Rotkreuzpässen aus dem Vatikan? Wenn dem so ist, dann bringt uns das zu der Frage – was war oder ist so Gefährliches in diesem Archiv, dass man die Kirche damit erpressen konnte?«
»Ein Archiv, für das heute noch Menschen sterben müssen«, fügte Bertucci bitter hinzu. »Die Blutspur ist noch nicht zu Ende.«
Donaustadt, Wien/Österreich
Z ur gleichen Zeit dachte keine zehn Kilometer weit entfernt Kommissar Berner an den Advocatus Diaboli. Er hielt sein Mobiltelefon in der Hand, warf einen Blick auf die drei italienischen Nummern und war versucht, eine zu wählen, einfach um zu sehen, wer sich melden würde. Zum ersten Mal fragte er sich, wen Bertucci für seine »Aktion Flächenbrand« ausgesucht hatte.
Da klingelte das Handy, wie auf Bestellung.
»Sina hier«, erklärte eine Stimme unwirsch, nachdem sich Berner gemeldet hatte. »Warum habe ich das Gefühl, dass jede Menge Probleme auf mich zukommen, wenn Sie auch nur einmal in Bogners Werkstatt übernachten? Was war das für eine Schießerei heute Vormittag?«
»Schön, Sie zu hören, Herr Doktor«, gab Berner seufzend zurück und stellte sich den Wiener Polizeipräsidenten vor, wie er stirnrunzelnd am Fenster seines Büros auf die Ringstraße hinunterschaute. »Ich wollte Sie gerade anrufen und um einen Gefallen ersuchen. Wir haben hier zwei ausländische Agenten geschnappt, die wild um sich schießend in Bogners Werkstatt gestürmt sind. Ich erspare Ihnen die Hintergründe fürs Erste, zwei weitere sind noch auf freiem Fuß. Ich möchte, dass der
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