Teufel - Thriller
Wächter oder Wächterinnen. Zufall? Wohl kaum.«
»Wozu?«, wollte Wagner wissen.
»Bitte? Wozu was?« Sina war ganz in Gedanken versunken.
»Wofür die Wächter?«, wiederholte der Reporter. »Der Schrein und seine Funktion sind mir ja klar, aber wofür die Leibgarde?«
»Wenn ich das wüsste…«, brummte Sina und malte wieder Dreier vor sich auf die Tischplatte. »Solche rituellen Bauwerke folgen immer Regeln, entweder um etwas abzubilden, die kosmische Ordnung zum Beispiel, oder um eine Energie zu bündeln…«
»… oder draußen zu halten«, ergänzte Paul. »Du hast gesagt, der Corpus war auf der Flucht. Vor wem? Die beiden Soldaten im Kriegerdenkmal waren ebenfalls auf der Flucht, wie ihr ganzer Eisenbahnzug, deren Inhalt die SS in geweihter Erde wissen wollte…« Er beugte sich zu Georg und sprach leiser weiter. »Wenn ich es nicht besser wüsste, müsste ich mich langsam, aber sicher mit esoterischen Überlegungen anfreunden. Etwa mit einem Fluch, der auf dem Inhalt der Waggons liegt, oder gleich mit dem Teufel selbst als Verfolger… aber das führt doch zu nichts.« Er tippte sich an die Stirn.
»Na ja…«, seufzte Georg und blätterte in seinen Notizen. »In jeder Kirche, die ich mir bisher mit Barbara angesehen habe, gibt es tatsächlich klare Hinweise auf eine direkte Bedrohung durch den Teufel. Ob in Schöngrabern oder auch hier in der Krypta von St. Servatius. Ich denke, der Teufel wurde einfach als Symbol benutzt, als personifizierte Bedrohung durch Ketzer oder nichtchristliche Aggressoren, die den Körper unter keinen Umständen in die Finger bekommen durften.«
»Und an wen denkst du da konkret?« Echte Feinde fand Wagner ungleich wahrscheinlicher als einen Teufel, der sich persönlich ins Weltgeschehen einmischte.
»Zuerst haben wir da die Perser«, referierte Sina, unterstützt von seinen Notizen. »Ihre Armeen fallen im 8. Jahrhundert ins Heilige Land ein. Wegen dieses Konfliktes wird die Reliquie zunächst nach Spanien gebracht. Meine Theorie dazu ist, sie reist von Nordafrika zu König Sisibutus nach Oviedo, in die Hauptstadt des Königreichs Asturien. Ganz einfach. Zwischen 711 und 712 erhält dieser König, der anders als seine arianischen Kollegen ein treuer Katholik gewesen ist, die sogenannte › Arca Santa ‹ aus Alexandria. Diesen Schrein, in dem sich auch das Sudarium, das Bluttuch Christi, und andere Reliquien befunden haben, versteckt er in einer Kirche am Monsacro bei Oviedo. Genauer gesagt, er verbirgt ihn in einer unterirdischen Felsenkammer, dem › Pozo de Sto. Toribio ‹ .«
»Aber das ist doch Unsinn!«, mischte sich jetzt Barbara ein. »In Oviedo ist die › Arca Santa ‹ bis heute zu sehen! Die Kathedrale von Oviedo ist eine der bekanntesten Pilgerstätten Nordspaniens. Sogar Franco und seine Frau sind dort gewesen. Angeblich klebt sogar noch etwas von ihrem Lippenstift an der Reliquie…«
»Und was hat sie dort so inbrünstig verehrt?«, wollte Sina wissen.
»Wie Sie gesagt haben, das Sudarium, das Bluttuch Christi…«, begann sie.
»… das genau wie die sechs Krüge von Kana nur im Johannesevangelium erwähnt wird«, schnitt ihr Sina brüsk das Wort ab. »Wenn Sie › Arca Santa ‹ übersetzen, dann heißt das auch: Heiliger Sarg. Wenn das in Ihren Augen alles nur Unsinn ist, dann erklären Sie mir doch bitte, warum Alfons II., König von Asturien, einem griechischen Mönch ausgerechnet einen Krug von Kana schenkt, als die Araber in Spanien einmarschieren. Genau dieser Mönch bringt das Geschenk auf die Klosterinsel Reichenau.«
Barbara verschränkte demonstrativ die Arme und drehte den Kopf weg.
»Oje!«, seufzte Wagner kaum hörbar und forderte Georg mit einer Handbewegung auf fortzufahren. Er wusste, dass man sich mit dem Professor besser nicht anlegte, war er einmal in Fahrt gekommen.
»Auf der Reichenau wird es allerdings auch langsam ungemütlich, man kämpft um Land, um die Vorherrschaft und ums nackte Überleben. Der Corpus bekommt in dieser Zeit von den fränkischen Königen einen neuen kostbaren Schrein. Er wird dadurch zu einem Schatz, der damals bekanntlich Land und Leute zusammenhält und den man am besten wieder auf einem Berg verwahrt. Wie für die Franken typisch, begeben sie sich unter den Schutz des Erzengels Michael, dem Befehlshaber der himmlischen Heerscharen, und bringen ihren Schatz auf den Michelberg bei Korneuburg… Also möglichst weit weg von allen aktuellen Konflikten!« Georg sah Paul erwartungsvoll an.
»Gut, so
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