Teufel - Thriller
Mesner würde nicht einmal die Jungfrau Maria erkennen, wenn sie auf einem Esel in das Gotteshaus geritten käme«, hatte er den beiden Sicherheitsleuten draußen gesagt. »Kümmert euch nicht um ihn.«
Er schaute auf seine Uhr. Es war kurz vor Mittag, gleich würde die Glocke läuten. Dann würden zwei Männer kommen, in einfachen Soutanen, durch den Nebeneingang.
Gomez fragte sich, wer der Letzte sein würde.
Der Mesner stolperte die Stufen vom Altar herunter und wäre fast hingefallen. Gomez verzog das Gesicht. War der Alte ein Symbol für diese Kirche? Schwerhörig, blind gegenüber allen Veränderungen, tapsig und unbeholfen, mit Kleinigkeiten beschäftigt, während draußen das Leben vorbeiraste? War diese Kirche am Ende? Geschüttelt von Skandalen, verlassen von immer mehr Gläubigen, die ihr Seelenheil woanders suchten, hilflos angesichts der Herausforderungen, die täglich auf sie einstürmten, und ohne Halt in einer Kirche, die genauso schwankte wie ein Schiff im Sturm?
Die schwere Tür knarrte, und ein Streifen Sonne fiel auf die alten, farbigen Steine des Fußbodens. Gomez hörte Schritte, die entlang der Sesselreihen im hinteren Teil der Kirche immer näher kamen. Der General der Jesuiten drehte sich nicht um. Er erkannte den Besucher am Gang.
»Gott zum Gruß, Eminenz.«
Die massige Figur war stehen geblieben und blickte auf den schlanken Spanier herab, der in der dunkelbraunen Bank schmal und unauffällig wie ein Landpfarrer auf Rombesuch aussah. Kardinal John Frazer trug eine rote Soutane und eine glänzende Aktentasche mit dem päpstlichen Siegel.
»Manchmal frage ich mich, ob er uns da oben noch hört«, seufzte Frazer und ließ sich neben Gomez auf die Bank gleiten. Er bemerkte das Handy in den Händen des Jesuiten.
»Unschöne Geschichte«, murmelte er und wies mit dem Finger auf das Display.
»Die Tatsache, dass die Leute von Pro Deo gefasst wurden, oder meinen Sie den ganzen Einsatz?« Gomez lächelte zynisch.
»Ironie steht Ihnen nicht«, gab Frazer zurück. »Oft genug waren es die Jesuiten, die solche Einsätze durchführten, damals…«
»… sagt die Inquisition«, spottete Gomez.
Die Glocke schlug zwölf Uhr Mittag.
»Er hat Verspätung«, bemerkte Frazer leichthin.
»Terminkalender, Verpflichtungen, Sekretäre, strikt geplanter Tagesablauf… Sie wissen ja, wie es ist«, erwiderte Gomez. »Ich wette, Kolonnen von Schweizergardisten in Zivil mit dem Finger am Abzug rutschen jetzt von einer Nervenkrise in die andere.«
»Und Pro Deo fragt sich, wohin er fährt.« Frazer schaute Gomez lauernd von der Seite an. »Oder er weiß es bereits…«
»Was soll das heißen?« Gomez hob sein Handy. »Darf ich Sie daran erinnern, dass ich auch auf der Verteilerliste stehe?«
»Nichts leichter als das«, gab Frazer herablassend zurück.
»Streiten bringt uns keinen Schritt weiter«, meinte da eine sanfte Stimme hinter den beiden Kardinälen. »Darauf baut alle Welt, und wir sollten ihr die Freude nicht machen.«
Der freundliche, grauhaarige Mann mit dem rundlichen Gesicht und den dunklen Augen bedeutete den anderen beiden, sitzen zu bleiben. Dann schlug er ein Kreuzzeichen, ging vor bis in den Mittelgang und kniete nieder. »Lasset uns beten, dass wir die richtige Entscheidung treffen, der Heilige Geist unsere Gedanken lenke und der Herr in seiner unendlichen Weisheit seine Hand über uns halten möge. Welcher Ort, wenn nicht diese Kirche, ist in diesem Augenblick der richtige Platz dafür?«
Die beiden Kardinäle erhoben sich und gingen neben ihm in die Knie. Das Triumvirat der Päpste, das höchste geheime Konsortium der katholischen Kirche, war wieder auferstanden.
»Gott im Himmel, steh uns in der Stunde der Verzweiflung und der Ratlosigkeit bei. Beschütze Deine Kirche, wenn wir zu schwach dazu sind. Führe uns auf den richtigen Weg aus der Dunkelheit ans Licht. Gib uns die Kraft, die Wahrheit und Deinen Willen zu erkennen. Amen.«
Die drei Päpste knieten nebeneinander, im Gebet versunken, die Köpfe gesenkt und die Hände gefaltet. Ganz leise drang der Lärm des Großstadtverkehrs in das Halbdunkel des Gotteshauses, während der alte Mesner mit einem Schlüsselbund rasselte, um die Opferstöcke aufzusperren. Die wenigen Münzen klimperten in das Stoffsäckchen.
»Gehen wir ein paar Schritte, es wird uns guttun«, meinte Gomez und begann, in Richtung Altar zu schlendern. »Ich nehme an, jeder von uns hat die heutige Nachricht erhalten. Von einem geistig Verwirrten oder einem
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