Teufel - Thriller
Zufall auszugehen, einer Provokation oder einem einfachen Versehen, das verbieten mir meine Intelligenz und der Respekt vor der Ihren.«
»Die lahmen Erklärungsversuche, die Pro Deo bisher halbherzig vorgebracht hat, machen mich nur noch misstrauischer«, gestand Kardinal Frazer, der missmutig sein Handy herausgezogen hatte und das Foto betrachtete. »Der Geheimdienst hat keinen wie immer gearteten Auftrag von mir erhalten, mir keinen Bericht geliefert. Ich bin bestürzt über die Entwicklung und besorgt über die Folgen. Wir haben bereits jetzt ein Vertrauensdefizit, das in einem beängstigenden Maß wächst. Wenn jetzt noch der Geheimdienst des Vatikans mordend durch Europa zieht, dann brauchen wir uns über unsere Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Dann hat diese Kirche nämlich keine.«
»Ich verstehe eure Sorgen«, warf der Heilige Vater ein, »und sie sind auch die meinen. Ich habe Scaglietti und Bertani ebenfalls keinen Auftrag erteilt. Der letzte Bericht, den ich von ihnen erhalten habe, war die Nachricht, dass sich der Mossad für die drei Morde interessiert und eine Agentin in den Vatikan geschickt hatte, um ein Interview mit Carlo Lamberti zu machen.«
»Glaubt ihr an die Behauptung des Unbekannten, Pro Deo stecke hinter den Morden hier in Rom und in Österreich?«, erkundigte sich Gomez.
»Ihr beide kennt mein Misstrauen gegenüber Geheimdiensten«, stellte Frazer bestimmt fest. »Vielleicht habe ich zu lange in den USA gelebt und bin CIA-geschädigt, aber ich glaube an ein Eigenleben, das sich mit der Zeit bei jedem Dienst entwickelt. Wir sollten beginnen, im eigenen Haus zu ermitteln, schon damit wir keine böse Überraschung erleben.«
Der Heilige Vater schwieg.
Die drei Männer spazierten durch die schwer bewachte Kirche, unbeachtet vom Mesner, der an den sechs großen Kerzenleuchtern am Altar herumpolierte. Endlich sprach der Mann in der weißen Soutane. »Es gibt da noch etwas anderes, das ihr wissen solltet. Die Bruderschaft des Nagelkreuzes hat mich vor wenigen Tagen kontaktiert. Jemand ist dem alten Geheimnis auf der Spur. Es sieht ganz so aus, als sei in Österreich das zweihundert Jahre alte Archiv des Schwarzen Bureaus ans Tageslicht gekommen, private Aufzeichnungen, die unsere Kirche in den Grundfesten erschüttern könnten.«
Er verstummte und blickte hinauf zu der reich geschmückten Kanzel mit ihrem rechteckigen Dach. »Wir kämpfen also an zwei Fronten. Einerseits gehen wir jedem noch so kleinen Hinweis nach, um die verschwundenen Teile des Geheimarchivs zu finden, andererseits können wir die gefährlichen Aufzeichnungen des Schwarzen Bureaus nicht ignorieren. Ich habe Paolo Bertucci auf den Weg geschickt, um zu retten, was noch zu retten ist.« Der Heilige Vater sah Gomez und Frazer durchdringend an. »Und ich habe Pro Deo kein Wort davon gesagt.«
Zehn Minuten später hatten sich alle drei zu einem gemeinsamen Beschluss durchgerungen, und das Treffen war zu Ende gegangen. Die Kirche lag wieder ruhig und verlassen da, die schweren Limousinen und die Leibwächter hatten die Piazza Il Gesù verlassen.
Als die ersten Touristen wieder in das Gotteshaus strömten, mit Kameras und Wasserflaschen bewaffnet, schlurfte der alte Mesner mit hängendem Kopf durch den Seitenflügel in die Sakristei. Dort zog er ein nagelneues Handy aus der Tasche seines fleckigen Mantels. Er hielt das Gerät nur Zentimeter vor seine Augen. Er hatte es noch niemals benutzt, aber man hatte ihm erklärt, wie es funktionierte. So drückte er zweimal auf einen grünen Knopf, die richtige Telefonnummer war bereits eingespeichert.
Es war die einzige Nummer, die in dem Kartenspeicher des Mobiltelefons abgelegt war.
Auf der anderen Seite läutete es. Zwei Mal. Drei Mal. Dann wurde abgehoben.
»Bertani!«, meldete sich eine ungeduldige Stimme.
In stockenden Worten begann der alte Mann zu berichten.
Donaustadt, Wien/Österreich
K ommissar Berner lehnte am rostigen Gittertor in Eddys Einfahrt und genoss in Ruhe seine Zigarette. Es war warm in der Sonne, ein linder Ostwind wehte aus der ungarischen Tiefebene herüber und schob weiße Schäfchenwolken vor sich her. Den blauen, gemieteten Volvo hatte der Kollege von der Kriminalpolizei nach einer kurzen Durchsuchung auf Fingerabdrücke und andere Spuren mitgenommen. Doch außer zwei weiteren Reservemagazinen für die Maschinenpistolen in einer kleinen Tasche im Kofferraum und einem Päckchen Kaugummi im Seitenfach der Türe war der Wagen leer gewesen.
Berner
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