Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Professor und wurde so blaß, daß Bormental zu ihm eilte und ihn sanft und besorgt am Ärmel faßte.
»Ich sage Ihnen, lassen Sie die Frechheiten, Monsieur Bellow!« Bormental sprach sehr laut. Bellow wich zurück, holte drei Papiere aus der Tasche, ein gelbes, ein grünes und ein weißes, tippte mit dem Finger darauf und sagte:
»Da. Ich bin Mitglied der Wohngenossenschaft, und mir steht in der Wohnung fünf bei dem Hauptmieter Preobrashenski eine Wohnfläche von sechzehn Quadratarschin zu.« Bellow überlegte und fügte einen Satz hinzu, den Bormental sich mechanisch merkte, weil er neu war: »Also seien Sie so freundlich.«
Der Professor biß sich auf die Lippe und stieß unvorsichtig hervor: »Diesen Schwonder erschieße ich noch, das schwöre ich.«
Bellow nahm diese Worte äußerst aufmerksam zur Kenntnis, das war seinen Augen anzusehen.
»Filipp Filippowitsch, vorsichtig«, sagte Bormental warnend.
»Na wissen Sie … eine Gemeinheit!« schrie der Professor. »Ich sage Ihnen, Bellow … Herr Bellow, wenn Sie sich noch ein einziges Mal eine derartige Frechheit erlauben, entziehe ich Ihnen das Mittagessen und überhaupt jegliche Verpflegung in meinem Hause. Sechzehn Quadratarschin, wunderbar, aber dieser Wisch verpflichtet mich ja nicht, Sie auch noch zu beköstigen!«
Bellow riß erschrocken den Mund auf.
»Ich kann nicht ohne Verpflegung sein«, murmelte er, »wo soll ich denn mein Futter hernehmen?«
»Dann benehmen Sie sich anständig!« sagten die beiden Äskulaps wie aus einem Munde.
Bellow wurde bedeutend ruhiger und fügte an diesem Tag niemandem mehr Schaden zu außer sich selbst: Eine kurze Abwesenheit Bormentals nutzend, bemächtigte er sich dessen Rasiermessers und schlitzte sich die Wange so auf, daß der Professor und Doktor Bormental die Wunde nähen mußten; dabei heulte Bellow kläglich und schwamm in Tränen.
In der folgenden Nacht saßen im grünen Schummerlicht des Arbeitszimmers der Professor und sein treu ergebener Bormental beisammen. Im Hause schlief schon alles. Der Professor trug seinen himmelblauen Hausmantel und die roten Pantoffeln, Bormental saß im Hemd und mit blauen Hosenträgern. Zwischen den beiden Ärzten stand ein runder Tisch, darauf ein dickes Album, eine Flasche Kognak, ein Teller mit Zitronenscheiben und eine Zigarrenkiste. Die beiden Gelehrten qualmten das Zimmer voll und erörterten hitzig das letzte Ereignis: An diesem Abend hatte sich Bellow im Arbeitszimmer des Professors zwei Zehnrubelscheine angeeignet, die unter der Löschwiege lagen, war aus der Wohnung verschwunden und spätnachts volltrunken zurückgekehrt. Damit nicht genug. Mit ihm erschienen zwei Unbekannte, die im Treppenhaus lärmend den Wunsch äußerten, als Gäste bei Bellow zu übernachten. Die genannten Personen entfernten sich erst, als der Portier Fjodor, der dieser Szene in Unterwäsche und Herbstmantel beiwohnte, das fünfundvierzigste Milizrevier anrief. Kaum hatte Fjodor den Hörer eingehängt, verschwanden sie. Mit ihnen verschwanden aus der Diele der Malachitaschbecher von der Spiegelkonsole, die Nutriamütze des Professors und sein Spazierstock, den eine Inschrift aus verschlungenen Goldbuchstaben zierte: »Unserm lieben und verehrten Filipp Preobrashenski von seinen dankbaren Stationsärzten zu seinem XXV. Dienstjubiläum.«
»Wer waren die?« fragte der Professor und drang mit geballten Fäusten auf Bellow ein.
Bellow stand wankend an die Pelze gelehnt und lallte, er kenne diese Personen nicht und sie seien nicht irgendwelche Hundesöhne, sondern gute Menschen.
»Das Erstaunlichste, sie waren ja beide betrunken … Wie haben Sie das nur fertiggebracht?« sagte der Professor verblüfft und blickte auf die Stelle, wo eben noch das Andenken an sein Jubiläum gestanden hatte.
»Könner«, erklärte Fjodor und ging mit einem Rubel in der Tasche schlafen.
Bellow bestritt energisch, die beiden Geldscheine genommen zu haben, und sagte etwas in der Richtung, er sei ja nicht allein in der Wohnung gewesen.
»Aha, dann hat vielleicht Doktor Bormental die zwanzig Rubel geklaut?« fragte der Professor mit leiser, doch furchterregender Stimme.
Bellow taumelte, riß die glasigen Augen auf und äußerte die Vermutung: »Vielleicht Sina …«
»Was?« schrie Sina, die wie ein Gespenst in der Tür erschien und die offene Bluse über der Brust mit der Hand zusammenhielt, »wie kann er …«
Der Hals des Professors färbte sich rot.
»Ruhig, Sina«, sagte er und streckte die Hand nach
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