Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
ihr aus. »Reg dich nicht auf, wir kriegen das schon hin.«
Sina schluchzte heftig mit offenem Mund, und ihre Hand hüpfte vor dem Schlüsselbein.
»Sina! Sie sollten sich was schämen! Wer kommt denn auf so was? Puh, wie peinlich!« sagte Bormental verwirrt.
»Aber Sina, du bist wirklich ein Dummchen, verzeih mir’s Gott«, sagte der Professor.
Aber da hörte Sinas Weinen von selbst auf, und alle verstummten. Bellow wurde es schlecht. Er prallte mit dem Kopf gegen die Wand und stieß einen Laut zwischen »u« und »e« aus, es klang wie »äää«. Sein Gesicht war bleich, seine Kiefer mahlten krampfhaft.
»Einen Eimer für den Halunken, aus dem Untersuchungszimmer!«
Alle liefen herum, um den erkrankten Bellow zu versorgen. Als Bormental den Schwankenden zu Bett brachte, ließ dieser sehr zart und melodisch gemeine Schimpfwörter hören, die er nur mühsam hervorbrachte.
Die ganze Geschichte passierte gegen eins, und jetzt war es drei Uhr nachts. Aber die beiden Männer im Arbeitszimmer waren munter, aufgedreht vom Kognak. Sie hatten so viel geraucht, daß der Qualm in dicken trägen Schwaden hing, die nicht einmal wogten.
Doktor Bormental, blaß, aber mit entschlossener Miene, hob das Glas mit der Wespentaille.
»Filipp Filippowitsch«, rief er gefühlvoll, »ich werde nie vergessen, wie ich als halbverhungerter Student zu Ihnen kam und Sie mich bei Ihrem Lehrstuhl aufnahmen. Glauben Sie mir, Filipp Filippowitsch, Sie sind für mich bedeutend mehr als mein Professor, mein Lehrer … Meine unendliche Hochachtung vor Ihnen … Erlauben Sie mir, Ihnen einen Kuß zu geben, mein lieber Filipp Filippowitsch!«
»Ja, mein Bester«, brummte der Professor verwirrt und stand auf. Bormental umarmte ihn und küßte ihn auf den stark verräucherten buschigen Schnurrbart.
»Wahrhaftig, Filipp Fili…«
»Ich bin so gerührt, so gerührt … Danke Ihnen«, sagte der Professor. »Mein Bester, beim Operieren schreie ich Sie manchmal so an. Entschuldigen Sie meinen greisenhaften Jähzorn. Ich bin ja eigentlich so einsam … Von Sevilla bis Granada …«
»Filipp Filippowitsch, wie können Sie so reden!« rief Bormental aufrichtig und überschwenglich. »Wenn Sie mich nicht beleidigen wollen, sagen Sie so etwas nie wieder …«
»Nun, ich danke Ihnen … Zu des Niles heil’gen Ufern … Danke … Auch ich habe Sie als befähigten Arzt ins Herz geschlossen.«
»Filipp Filippowitsch, ich will Ihnen sagen!« rief Bormental leidenschaftlich, sprang auf, schloß die Tür zum Korridor, kehrte zurück und fuhr flüsternd fort: »Es ist ja der einzige Ausweg. Ich maße mir natürlich nicht an, Ihnen Ratschläge zu geben, aber Sie sind schon ganz zermürbt, so kann man doch nicht mehr arbeiten!«
»Es ist absolut unmöglich«, bestätigte der Professor seufzend.
»Na bitte, unvorstellbar ist es«, raunte Bormental. »Neulich haben Sie gesagt, Sie hätten Angst um mich; wenn Sie nur wüßten, wie gerührt ich war, lieber Professor. Aber ich bin kein kleiner Junge und weiß sehr wohl, wie entsetzlich die Folgen sein können. Es ist jedoch meine feste Überzeugung, daß es keinen anderen Ausweg gibt.«
Der Professor stand auf, fuchtelte mit den Händen und rief:
»Führen Sie mich nicht in Versuchung, und reden Sie nie wieder davon.« Er ging im Zimmer auf und ab und brachte die Rauchschwaden zum Wallen. »Ich will das nicht hören. Begreifen Sie, was geschieht, wenn wir erwischt werden? Sie und ich, wir kommen dann nicht mit einem ›in Erwägung seiner sozialen Herkunft‹ davon, obwohl wir nicht vorbestraft sind. Ihre Herkunft ist ja wohl nicht sehr geeignet, mein Lieber?«
»Woher zum Teufel! Mein Vater war Untersuchungsrichter in Wilna«, antwortete Bormental betrübt und leerte sein Kognakglas.
»Na bitte, da haben Sie’s. Eine scheußliche Abstammung. Gräßlicher geht es gar nicht. Im übrigen, Verzeihung, meine ist noch schlimmer. Mein Vater war Oberpriester mit Lehrstuhl. Merci. Von Sevilla bis Granada, in der stillen dunklen Nacht … So ist das, verdammt noch mal.«
»Filipp Filippowitsch, Sie sind eine Kapazität von Weltrang, und da soll wegen solch einem Hundesohn, entschuldigen Sie den Ausdruck … Die können Ihnen doch gar nichts anhaben, ich bitte Sie!«
»Um so weniger kann ich mich darauf einlassen«, erwiderte der Professor versonnen, blieb stehen und blickte zum Glasschrank.
»Warum denn nicht?«
»Weil Sie keine Kapazität von Weltrang sind.«
»Woher auch …«
»Na bitte. Einen
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