Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Gesicht, führte ein Stück Brot zur Nase, schnupperte daran und aß es, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Übung hat er«, warf der Professor wie geistesabwesend hin.
Bormental guckte verwundert.
»Wie meinen …«
»Übung hat er!« wiederholte der Professor und schüttelte bitter den Kopf. »Nichts zu machen – Klim.«
Bormental sah dem Professor mit verschärftem Interesse in die Augen.
»Glauben Sie, Filipp Filippowitsch?«
»Glauben? Meinen? Ich bin ganz sicher.«
»Sollte etwa …«, begann Bormental und verstummte mit einem Seitenblick zu Bellow. Der zog argwöhnisch die Stirn kraus.
»Später«, sagte der Professor halblaut.
»Gut«, antwortete sein Assistent.
Sina trug den Truthahn auf. Bormental goß dem Professor Rotwein ein und bot auch Bellow davon an.
»Ich will nicht. Ich nehm lieber noch ein Schnäpschen.« Sein Gesicht glänzte, auf die Stirn trat Schweiß, er wurde lustig. Auch der Professor war vom Wein sanfter gestimmt. Seine Augen blickten klar, und er sah wohlwollend Bellow an, dessen schwarzer Kopf in der Serviette aussah wie eine Fliege im Sauerrahm. Bormental, gleichfalls gestärkt, spürte Tatendrang.
»Nun, was unternehmen wir heute abend?« fragte er Bellow.
Der klapperte mit den Augen und antwortete:
»Wir gehen am besten in den Zirkus.«
»Jeden Tag in den Zirkus«, bemerkte der Professor wohlmeinend, »ich finde das ziemlich langweilig. An Ihrer Stelle würde ich wenigstens einmal ins Theater gehen.«
»Ins Theater geh ich nicht«, erwiderte Bellow feindselig und bekreuzigte seinen Mund.
»Aufstoßen bei Tisch verdirbt den andern den Appetit«, sagte Bormental mechanisch. »Entschuldigen Sie … Aber was haben Sie eigentlich gegen das Theater?«
Bellow blickte durch sein leeres Glas wie durch ein Fernrohr, überlegte und schob die Lippen vor.
»Alles dummes Zeug … Gerede, Gerede … Die reinste Konterrevolution.«
Der Professor lehnte sich zurück gegen die gotische Sessellehne und lachte so herzlich, daß die goldene Zahnreihe in seinem Mund blinkte. Bormental drehte den Kopf.
»Sie sollten mal was lesen«, schlug er vor, »wissen Sie, sonst …«
»Ich lese ja, ich lese«, antwortete Bellow und goß sich flink ein halbes Glas Wodka ein.
»Sina«, rief der Professor beunruhigt, »nimm den Wodka weg, Kindchen. Den brauchen wir nicht mehr. Was lesen Sie denn?« In seinem Kopf malte sich plötzlich ein Bild: eine einsame Insel, eine Palme, ein Mann im Tierfell mit Kappe, Robinson sollte er lesen …
»Diesen … Wie war das gleich … Briefwechsel zwischen Engels und diesem … wie heißt er noch, der Satan … Kautsky.«
Bormental blieb die Gabel mit einem Stück Truthahnfleisch auf halbem Wege zum Mund stehen, und der Professor verschüttete Wein. Bellow benutzte den Moment und kippte den Wodka.
Der Professor legte die Ellbogen auf den Tisch, sah Bellow durchdringend an und fragte:
»Darf ich wohl fragen, was Sie mir sagen können zu dem, was Sie gelesen haben?«
Bellow zuckte die Achseln.
»Ich bin nicht einverstanden.«
»Mit wem? Mit Engels oder mit Kautsky?«
»Mit beiden«, antwortete Bellow.
»Bei Gott, bemerkenswert. Jeder, der sagt, daß eine andere … Was würden Sie denn Ihrerseits vorschlagen?«
»Was soll ich schon vorschlagen? Die schreiben was zusammen … Ein Kongreß, irgendwelche Deutschen … da platzt einem ja der Kopf. Einfach alles nehmen und aufteilen …«
»Das habe ich mir gedacht«, rief der Professor und schlug mit der flachen Hand aufs Tischtuch. »Genauso hab ich’s mir vorgestellt.«
»Wissen Sie auch eine Methode?« fragte Bormental interessiert.
»Was denn für eine Methode«, versetzte Bellow, den der Wodka gesprächig machte, »das ist nicht weiter schwierig. Aber bitte: Der eine macht sich in sieben Zimmern breit und hat vierzig Hosen, der andere streunt und sucht in den Müllkästen nach Nahrung.«
»Das mit den sieben Zimmern ist natürlich eine Anspielung auf mich?« fragte der Professor mit einem hochmütigen Blick. Bellow duckte sich und schwieg.
»Nun gut, ich habe nichts gegen die Teilung. Doktor, wieviel Patienten haben Sie gestern weggeschickt?«
»Neununddreißig«, antwortete Bormental.
»Hm … Macht dreihundertneunzig Rubel. Nun, nicht viel für drei Männer. Die Damen Sina und Darja rechnen wir nicht mit. Also, Bellow, ich bekomme hundertdreißig Rubel von Ihnen. Wollen Sie bitten zahlen.«
»Eine schöne Geschichte«, antwortete Bellow erschrocken, »was soll denn
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