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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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nicht lesen, was da an der Tür steht?«
    Korotkow blickte zur Tür und sah die wohlbekannte Aufschrift: »Ohne Anliegen kein Eintritt.«
    »Ich komme ja mit einem Anliegen«, sagte er dumm und zeigte sein Papier.
    Der quadratische Glatzkopf wurde überraschend ärgerlich. Seine Äuglein sprühten gelbliche Funken.
    »Genosse«, sagte er, Korotkow mit Kochtopfgeklapper betäubend. »Sie sind derart unentwickelt, daß Sie die Bedeutung der einfachsten dienstlichen Aufschriften nicht kapieren. Ich muß mich ganz entschieden wundern, wie Sie bisher hier arbeiten konnten. Überhaupt gibt es hier bei euch viel Interessantes, zum Beispiel die angeschlagenen Augen auf Schritt und Tritt. Na, macht nichts, bringen wir alles in Ordnung.« (Korotkow ächzte im stillen auf.) »Geben Sie her!«
    Mit diesen Worten riß der Unbekannte Korotkow das Papier aus der Hand, überflog es, entnahm seiner Hosentasche einen zerknabberten Kopierstift, drückte das Papier an die Wand und schrieb schräg ein paar Worte.
    »Verschwinden Sie!« blaffte er und stieß das Papier derart gegen Korotkow, daß er ihm fast das restliche Auge ausgebohrt hätte. Die Tür des Arbeitszimmers verschluckte quietschend den Unbekannten, und Korotkow stand starr – Tschekuschin war nicht darin.
    Der perplexe Korotkow kam erst wieder zu sich, als er mit Lidotschka de Runi zusammenprallte, der persönlichen Sekretärin des Genossen Tschekuschin.
    Korotkow stieß einen Wehlaut aus. Lidotschkas eines Auge war ebenso mit individuellem Material verbunden wie das seine, nur mit dem Unterschied, daß die Enden des Verbandes ein kokettes Schleifchen bildeten.
    »Was haben Sie denn da?«
    »Die Streichhölzer!« antwortete Lidotschka gereizt. »Verfluchte Dinger.«
    »Wer ist denn der da?« fragte der geschlagene Korotkow flüsternd.
    »Wissen Sie das nicht?« wisperte Lidotschka. »Der Neue.«
    »Wie?« piepste Korotkow. »Und Tschekuschin?«
    »Gestern gefeuert«, sagte Lidotschka böse, stieß das Fingerchen in Richtung Arbeitszimmer und fügte hinzu: »Na, das ist vielleicht ein Vogel. Ein Früchtchen. So was Gräßliches hab ich im Leben noch nicht gesehen. Wie der brüllt! Rausschmeißen! Glatzköpfige Unterhose!« schloß sie überraschend, so daß Korotkow sie anglotzte.
    »Wie ist sein Na…«
    Korotkow kam nicht zu Ende. Hinter der Tür des Arbeitszimmers dröhnte die fürchterliche Stimme: »Bote!« Der Schriftführer und die Sekretärin stoben nach verschiedenen Seiten auseinander. Korotkow, in sein Zimmer geeilt, setzte sich an den Schreibtisch und hielt sich selbst folgende Rede:
    »Eijeijei! Na, Korotkow, jetzt sitzt du in der Patsche. Du mußt diese Schote in Ordnung bringen. ›Unentwickelt‹ … Hm … Frechling … Na schön! Du wirst schon sehen, wie unentwickelt Korotkow ist.«
    Mit seinem gesunden Auge las Korotkow die Schriftzüge des Glatzköpfigen. Auf dem Papier standen krumm die Worte: »An alle Stenotypistinnen und Frauen schlechthin sind rechtzeitig auszugeben Militärsachen, Unterhosen.«
    »Das Ding ist gut!« rief Korotkow begeistert und erschauerte lüstern, als er sich Lidotschka in Soldatenunterhosen vorstellte. Ungesäumt zog er sich ein sauberes Blatt Papier heran und verfaßte binnen drei Minuten dies:
    Telephonogramm.
    An den Leiter der Unterabteilung Einkauf Punkt. In Beantwortung Ihres Schreibens Nr. 0, 15015 (b) vom 19. d. M. Komma teilt der Hauptstreichmat mit Komma daß an alle Stenotypistinnen und an alle Frauen schlechthin rechtzeitig Soldatenunterhosen auszugeben sind Punkt Leiter Gedankenstrich Unterschrift Schriftführer Bindestrich Warfolomej Korotkow Punkt.
    Er klingelte und sagte zu dem eintretenden Boten Pantelejmon:
    »Für den Leiter, zum Unterschreiben.«
    Pantelejmon ergriff mümmelnd das Blatt und ging.
    In den nächsten vier Stunden horchte Korotkow, ohne sein Zimmer zu verlassen, denn er kalkulierte, daß der neue Leiter, falls er auf den Gedanken verfiele, einen Rundgang durch die Zimmer zu machen, ihn unbedingt in seine Arbeit vertieft vorfinden solle. Aber aus dem schrecklichen Arbeitszimmer kam kein Laut. Nur einmal tönte gedämpft die eherne Stimme, sie schien jemandem Entlassung anzudrohen, aber wem, hörte Korotkow nicht, obwohl er das Ohr ans Schlüsselloch quetschte. Um halb vier nachmittags ließ sich hinter der Wand Pantelejmons Stimme vernehmen:
    »Er sind mit dem Wagen weggefahren.«
    Die Kanzlei füllte sich sogleich mit Lärm, und alles lief auseinander. Als letzter begab sich einsam der

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