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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Himmelskönigin, was ist das? dachte Korotkow nebelhaft, dann sagte er, krampfhaft atmend:
    »Mir ist … äh … was Gräßliches passiert. Er … Ich versteh das nicht. Glauben Sie um Gottes willen nicht, das wären Halluzinationen … Kchm … ha-kcha …« (Korotkow versuchte künstlich zu lachen, doch es mißlang ihm.) »Er ist lebendig. Ich versichere Ihnen … Aber ich verstehe gar nichts. Mal hat er einen langen Bart, im nächsten Moment ist er bartlos. Es geht über meinen Verstand. Auch die Stimme ist anders … Außerdem sind mir sämtliche Papiere gestohlen worden, und zu allem Unglück ist der Hausverwalter gestorben. Dieser Unterhoser …«
    »Ich hab’s ja gewußt«, schrie der Hausherr. »Die sind das?«
    »Ach, mein Gott, natürlich«, warf die Frau ein. »Ach, diese gräßlichen Unterhosers.«
    »Wissen Sie«, fuhr der Hausherr aufgeregt fort. »Er ist schuld, daß ich auf dem Fußboden sitze. Da, sehen Sie sich das an! Was versteht der schon von Journalismus?« Er faßte Korotkow an einem Knopf. »Nun sagen Sie schon, was versteht er davon? Zwei Tage war er hier und hat mich total fertiggemacht. Aber stellen Sie sich vor, dieses Glück. Ich bin zu Fjodor Wassiljewitsch gefahren, und der hat ihn endlich weggeholt. Ich habe die Frage scharf gestellt: er oder ich. Er wurde zu irgendeinem Streichmat versetzt oder wie das heißt. Soll er dort mit seinen Streichhölzern rumstänkern! Aber die Möbel, die hat er vorher noch in dieses verfluchte Büro geschafft. Samt und sonders. Wie finden Sie das? Worauf, bitte schön, soll ich jetzt schreiben? Worauf werden Sie schreiben? Denn ich zweifle nicht daran, daß Sie der Unsere werden, mein Bester« (der Hausherr umarmte Korotkow). »Die wunderschönen atlasbezogenen Louisquatorze-Möbel hat dieser Spitzbube in unverantwortlicher Weise in das dämliche Büro gestopft, das morgen sowieso zugemacht und zu des Teufels Großmutter geschickt wird.«
    »Welches Büro?« fragte Korotkow dumpf.
    »Na, dieses Beschwerdebüro oder wie das heißt«, sagte der Hausherr verdrossen.
    »Wie?« schrie Korotkow. »Wie? Wo ist das?«
    »Dort«, antwortete der Hausherr verblüfft und stieß die Hand gegen den Fußboden.
    Mit irren Augen warf Korotkow einen letzten Blick auf den weißen Ukrainerkuntusch und war gleich darauf im Korridor. Nach kurzem Überlegen sauste er links entlang auf der Suche nach einer Treppe, die abwärts führte. Wohl fünf Minuten folgte er dem bizarr verschlungenen Korridor, und nach dieser Zeitspanne stand er wieder an der Stelle, wo er losgelaufen war: Tür Nr. 40.
    »Ach, verdammt!« ächzte er, trat von einem Fuß auf den anderen und rannte nach rechts. Fünf Minuten später stand er abermals vor der Tür Nr. 40. Er riß sie auf, stürmte in den Saal und fand ihn leer. Nur die Schreibmaschine grinste schweigend mit weißen Zähnen auf dem Tisch. Korotkow lief zu der Kolonnade und erblickte den Hausherrn. Der stand auf einem Piedestal, ohne Lächeln, mit beleidigter Miene.
    »Entschuldigen Sie, daß ich mich nicht verabschiedet habe …«, wollte Korotkow beginnen, doch er verstummte. Der Hausherr hatte weder Ohr noch Nase, und der linke Arm war abgebrochen. Korotkow wich fröstelnd zurück in den Korridor. Gegenüber tat sich eine unauffällige Geheimtür auf, und heraus trat ein runzliges braunhäutiges Weib, ein Joch mit leeren Eimern auf den Schultern.
    »Frau! Frau!« schrie Korotkow nervös. »Wo ist das Büro?«
    »Ich weiß nicht, Väterchen, ich weiß nicht, Ernährer«, erwiderte das Weib, »aber du brauchst nicht zu laufen, mein Guter, du findest es ja doch nicht. Kann man sich das etwa vorstellen – zehn Etagen.«
    »Uuuh, blöde Gans«, brüllte Korotkow mit zusammengebissenen Zähnen und stürmte durch die Tür. Sie schlug hinter ihm zu, und er befand sich in einem halbdunklen Raum ohne Ausgang. Gegen die Wände anrennend und an ihnen kratzend wie ein verschütteter Bergmann, stieß er endlich auf einen hellen Fleck, der ihn auf eine Treppe entließ. Seine Schritte ratterten treppab. Ihm entgegen kamen fremde Tritte. Wehmütige Unruhe preßte ihm das Herz zusammen, und er blieb stehen. Einen Moment noch, dann erblickte er die blanke Mütze, die graue Deckenkleidung und den langen Bart. Korotkow wankte und klammerte sich mit beiden Händen ans Geländer. Die Blicke kreuzten sich, beide heulten auf vor Angst und Leid. Beide wichen rücklings, Korotkow nach oben, Unterhoser, im Gesicht unaussprechliches Entsetzen, nach

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