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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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stürmte, die Beine schleudernd, unter juckenden Peitschenhieben davon, die Straße füllte sich mit Rädergeratter. Korotkow sah durch seine sprudelnden Tränen, wie der Kutscher den Lackhut verlor, aus welchem nach allen Seiten Geldscheine flatterten. Pfeifende Bengels machten darauf Jagd. Der Kutscher drehte sich um, zog verzweifelt an den Zügeln, aber Unterhoser bearbeitete seinen Rücken mit Fäusten und heulte:
    »Fahr zu! Fahr zu! Ich zahle.«
    »Ach, Euer Gesundheit, wollen Sie mich zugrunde richten?« schrie der Kutscher verzweifelt, doch er ließ den Klepper galoppieren, und das Ganze verschwand um die Ecke.
    Korotkow blickte schluchzend zum grauen Himmel auf, der über seinem Kopf vorbeizog, wankte und schrie schmerzerfüllt:
    »Mir reicht’s. Ich laß das nicht auf sich beruhen! Ich klär ihn auf.«
    Er sprang hoch und klammerte sich an den Stromabnehmerbügel einer Straßenbahn. Der Bügel rüttelte ihn fünf Minuten lang durch und schleuderte ihn vor ein neungeschossiges grünes Gebäude. Korotkow eilte ins Vestibül, schob den Kopf durch eine viereckige Öffnung in einem Holzverschlag und erkundigte sich bei einer dickbauchigen blauen Teekanne:
    »Wo ist das Beschwerdebüro, Genosse?«
    »8. Etage, 9. Korridor, Wohnung 41, Zimmer 302«, antwortete die Teekanne mit weiblicher Stimme.
    »Achte, neunter, einundvierzig, dreihundert… dreihundert… wie war das gleich … dreihundertzwo«, murmelte Korotkow, indem er schon die breite Treppe hinaufrannte, »achte, neunter, achte, halt, vierzig … nein, zweiundvierzig … nein, dreihundertzwo«, ächzte er, »ach, mein Gott, schon vergessen … ja, vierzig, Wohnung vierzig …«
    In der achten Etage passierte er drei Türen, erblickte auf der vierten die schwarze Zahl »40« und betrat einen riesigen Säulensaal, der von zwei Seiten Licht erhielt. In den Ecken lagen Papierrollen, und der Fußboden war mit beschriebenen Zetteln übersät. In einem abgeteilten Raum gab es ein Tischchen mit einer Schreibmaschine, daran saß eine goldblonde Frau, welche, die Wangen in die Fäuste gestützt, ein Liedchen vor sich hin trällerte. Korotkow schaute sich verwirrt um und sah eine massive Männergestalt in weißem Ukrainerkuntusch schwerfällig hinter den Säulen hervor die Estrade herabstapfen. In seinem marmornen Gesicht war ein angegrauter Hängeschnauz zu erkennen. Der Mann lächelte ein ungewöhnlich höfliches lebloses Gipslächeln, trat auf Korotkow zu, drückte ihm zart die Hand und sagte hackenschlagend:
    »Jan Sobieski.«
    »Unmöglich«, erwiderte Korotkow verdutzt.
    Der Mann lächelte freundlich.
    »Glauben Sie mir, viele wundern sich«, sagte er, die Worte falsch betonend, »aber Sie dürfen nicht denken, Genosse, daß ich mit diesem Banditen irgendwo zu tun habe. Gewiß nicht. Ein ärgerlicher Zufall, weiter nichts. Ich habe schon einen Antrag eingereicht, meinen Familiennamen in Sozialerz zu ändern. Das ist viel schöner und nicht so riskant. Im übrigen, wenn es Ihnen unangenehm ist«, der Mann zog beleidigt den Mund schief, »ich dränge mich nicht auf. Wir finden jederzeit Leute. Wir sind gefragt.«
    »Aber ich bitte Sie, was reden Sie da«, rief Korotkow fieberhaft, denn er spürte, daß auch hier etwas Seltsames begann, wie überall. Er schaute sich mit gehetztem Blick um, besorgt, von irgendwo könne das rasierte Gesicht mit der Eierglatze auftauchen. Mit pelziger Zunge fügte er hinzu: »Ich freue mich sehr, ja, sehr …«
    In das marmorne Gesicht des Mannes trat fleckige Röte; Korotkow sanft bei der Hand fassend, zog er ihn zum Tisch und sprach:
    »Auch ich freue mich sehr. Aber das Elend ist, stellen Sie sich vor: Ich habe nicht mal einen Platz, wo Sie sich hinsetzen können. Wir werden stiefmütterlich behandelt trotz unserer Bedeutung« (der Mann wies auf die Papierrollen). »Intrigen … Aber wir entfalten uns schon noch, keine Sorge … Hm … Und mit was für neuen Sachen werden Sie uns erfreuen?« fragte er zärtlich den bleichen Korotkow. »Ach ja, Verzeihung, verzeihen Sie tausendmal, darf ich bekannt machen.« Eine elegante Bewegung der weißen Hand zu der Schreibmaschine. »Henriette Potapowna Ersymphorch.«
    Die Frau drückte sogleich mit ihrer kalten Hand Korotkows Rechte und beäugte ihn schmachtend.
    »Also«, fuhr der Hausherr lieblich fort, »womit werden Sie uns erfreuen? Feuilletons? Skizzen?« Er sagte es gedehnt und rollte die Augen. »Sie können sich nicht vorstellen, wie dringend wir so etwas brauchen.«
    O

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