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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Schacht, der in die Tiefe führte.

10 Der schreckliche Dyrkin
    Die Kabine mit der Spiegelwand sank abwärts, und mit ihr der doppelte Korotkow. Der erste und wichtigste Korotkow ließ den zweiten im Spiegel zurück und trat allein ins kühle Vestibül. Ein rosiger Dickwanst mit Zylinder empfing ihn mit den Worten:
    »Na, großartig. Jetzt verhafte ich Sie.«
    »Mich kann man nicht verhaften«, antwortete Korotkow unter satanischem Gelächter. »Es weiß ja niemand, wer ich bin. So ist es. Man kann mich weder verhaften noch verheiraten. Und nach Poltawa fahr ich nicht.«
    Der Dickwanst erzitterte vor Entsetzen, sah Korotkow in die Pupillen und wich rückwärts.
    »Verhafte mich doch«, piepste Korotkow und zeigte dem Dickwanst seine flatternde bleiche Zunge, die nach Baldrian roch. »Wie willst du mich verhaften, wenn ich dir statt der Papiere einen Vogel zeige? Vielleicht heiß ich Hohenzollern.«
    »Herr Jesus«, sagte der Dickwanst, bekreuzigte sich mit bebender Hand, und sein rosiges Gesicht wurde gelb.
    »Hast du Unterhoser nicht gesehen?« fragte Korotkow abgehackt und hielt Umschau. »Gib Antwort, du Fettsack!«
    »Überhaupt nicht«, antwortete der Dickwanst, und sein gelbes Gesicht wurde grau.
    »Was soll denn jetzt werden? Na?«
    »Zu Dyrkin, was sonst«, lispelte der Dickwanst. »Bei ihm ist es am besten. Bloß schrecklich ist er. Auwei, schrecklich! Dem darf man nicht zu nahe kommen. Heut sind schon zwei bei ihm oben rausgeflogen, und das Telephon hat er zerschlagen.«
    »Na schön«, antwortete Korotkow und spuckte angeberisch aus, »das ist mir jetzt ganz egal. Los, hoch!«
    »Stoßen Sie sich nicht den Fuß, Genosse Bevollmächtigter«, sagte der Dickwanst zärtlich und half Korotkow in den Lift.
    Auf dem oberen Treppenabsatz trafen sie auf einen vielleicht sechzehnjährigen Bengel, der sie anbrüllte:
    »Wohin? Halt!«
    »Schlag mich nicht, Onkelchen«, sagte der Dickwanst, wobei er sich duckte und den Kopf mit den Händen schützte. »Wir wollen zu Dyrkin.«
    »Geht rein«, schrie der Bengel.
    Der Dickwanst flüsterte:
    »Gehen Sie nur hinein, Euer Erlaucht, ich werd Sie hier auf der Bank erwarten. Hab solche Angst …«
    Korotkow betrat einen dunklen Vorraum und gelangte in einen leeren Saal mit einem verwetzten himmelblauen Teppich.
    Vor der Tür mit der Aufschrift »Dyrkin« zauderte Korotkow, doch dann trat er ein und fand sich in einem behaglich eingerichteten Arbeitszimmer mit einem riesigen himbeerrosa Schreibtisch und einer Wanduhr. Der kleine pummlige Dyrkin schnellte hinterm Schreibtisch hoch und blaffte, den Schnauzbart gesträubt: »Ruhe!«, obwohl Korotkow noch gar nichts gesagt hatte.
    Im selben Moment erschien im Arbeitszimmer ein blasser Jüngling mit Aktentasche. Sofort überzogen Lächelfalten Dyrkins Gesicht.
    »Ah!« rief er lieblich. »Artur Arturowitsch. Seien Sie gegrüßt.«
    »Hör mal, Dyrkin«, sagte der Jüngling mit metallischer Stimme, »du hast an Pusyrjow geschrieben, ich hätte in der Emeritalkasse eine persönliche Diktatur eingeführt und die Emeritalgelder für den Monat Mai geklaut. Stimmt das? Antworte, du räudiges Miststück.«
    »Ich?« stammelte Dyrkin und verwandelte sich wie durch Zauber aus Dyrkin dem Schrecklichen in Dyrkin den Gutmütigen. »Ich, Artur Diktaturowitsch … Ich, natürlich … Sie sollten nicht so …«
    »Ach, du Schurke, du Schurke«, sagte der Jüngling deutlich artikuliert, holte kopfschüttelnd mit der Aktentasche Schwung und klatschte sie Dyrkin ans Ohr wie einen Eierkuchen auf den Teller.
    Korotkow stieß mechanisch ein »Oh« aus und erstarrte.
    »So wird es jedem Strolch ergehen, der sich erfrecht, die Nase in meine Angelegenheiten zu stecken«, sagte der Jüngling nachdrücklich, drohte Korotkow zum Abschied mit seiner roten Faust und ging.
    Wohl zwei Minuten herrschte im Arbeitszimmer Schweigen, nur die Anhängsel an den Kandelabern klirrten, weil irgendwo ein Lastauto vorbeifuhr.
    »Da sehen Sie’s, junger Mann«, sagte der gutmütige und gedemütigte Dyrkin und lachte bitter auf. »Das ist die Belohnung für meinen Eifer. Nächtelang opfert man den Schlaf, ißt und trinkt sich nicht satt, und das Ergebnis ist immer dasselbe – eins in die Schnauze. Vielleicht sind Sie auch deshalb gekommen? Warum nicht, schlagt Dyrkin nur, schlagt ihn. Seine Schnauze ist ja auch amtlich. Aber womöglich tut Ihnen dann die Hand weh? Nehmen Sie doch das Kandelaberchen dort.«
    Dyrkin reckte einladend die dicken Backen über den

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