Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
Schreibtisch. Korotkow, der nichts mehr begriff, lächelte schief und schüchtern, faßte den Kandelaber am Fuß und schmetterte ihn mitsamt den Kerzen knirschend Dyrkin auf den Schädel. Dem tropfte Blut aus der Nase auf den Schreibtisch; hilferufend entwich er durch eine Innentür.
    »Kuckuck!« rief freudig ein hölzerner Kuckuck, der aus dem bemalten Nürnberger Häuschen an der Wand sprang. »Ku-Klux-Klan!« rief er und verwandelte sich in den Kahlkopf. »Das werden wir schriftlich festhalten, wie Sie hier die Mitarbeiter schlagen.«
    Wut packte Korotkow. Er holte mit dem Kandelaber aus und schleuderte ihn gegen die Uhr. Sie antwortete mit Krachen und mit spritzenden Goldzeigertrümmern. Unterhoser sprang aus der Uhr, verwandelte sich in einen weißen Hahn mit der Aufschrift »Ausgangsbuch« und entschlüpfte durch die Tür. Sogleich ertönte hinter der Innentür Dyrkins Geheul: »Fangt den Räuber!«, und schwere Schritte eilten von allen Seiten herbei. Korotkow wandte sich zur Flucht.

11 Parforcekino und Abgrund
    Vom Treppenabsatz hüpfte der Dickwanst in die Kabine, warf die Gitter zu und sackte abwärts, und auf der mächtigen, ausgetretenen Treppe eilte es hinunter in folgender Reihenfolge: als erstes der schwarze Zylinder des Dickwanstes, dann der weiße Hahn »Ausgangsbuch«, nach dem Hahn der Kandelaber, der ein paar Zentimeter über dem weißen Spitzkopf sauste, danach Korotkow, der sechzehnjährige Bengel mit einem Revolver in der Hand und noch irgendwelche Leute, deren genagelte Stiefel polterten. Die Treppe ächzte im Bronzeton, auf den Treppenabsätzen klappten nervös die Türen.
    Jemand beugte sich von der obersten Etage übers Geländer und rief durch ein Sprachrohr:
    »Welche Sektion zieht da um? Ihr habt den Panzerschrank vergessen!«
    Von unten antwortete eine Frauenstimme:
    »Banditen!«
    Durch die mächtige Tür, die auf die Straße führte, sprang Korotkow, der Zylinder und Kandelaber überholt hatte, als erster hinaus, schluckte eine riesige Portion erhitzter Luft und sauste die Straße entlang. Der weiße Hahn verschwand unter Zurücklassung von Schwefelgeruch in der Erde, der schwarze Havelock wob sich aus der Luft und trottete neben Korotkow her, wobei er leise und lang gedehnt rief:
    »Man schlägt die Unseren, Genossen!«
    Die Passanten auf Korotkows Weg wichen zur Seite und schlüpften in Torwege. Pfiffe gellten und erloschen. Jemand ließ rasend Hetzpfiffe hören; aufpeitschende heisere Schreie »Haltet ihn!« loderten auf. Eiserne Jalousien ratterten herab, und ein Lahmer in der Straßenbahn kreischte:
    »Es hat angefangen!«
    Schüsse, lustig wie Weihnachtsknallbonbons, knallten hinter Korotkow her, und die Kugeln peitschten bald seitlich an ihm vorbei, bald über ihn hinweg. Korotkow, der wie ein Blasebalg keuchte, eilte zu einem gigantischen elfgeschossigen Gebäude, das die Seite der Straße und die Fassade einer schmalen Gasse zukehrte. Direkt an der Ecke hing ein Glasschild »Restoran i pivo«, das hatte plötzlich einen Stern aus Rissen und zersprang dann. Ein bejahrter Droschkenkutscher setzte sich vom Bock aufs Straßenpflaster und sagte mit schmachtendem Gesichtsausdruck:
    »Prima! Was macht ihr da, Brüder, wo schießt ihr hin, was soll das?«
    Aus der Gasse kam ein Mann gelaufen und versuchte, Korotkow am Jackett zu packen. Das Jackett verblieb in seiner Hand. Korotkow bog um die Ecke, sauste ein paar Meter weiter und eilte dann hinein in den spiegelnden Raum des Vestibüls. Ein betreßter Junge mit Goldknöpfen sprang aus dem Lift und heulte los.
    »Steig ein, Onkel, steig ein!« flennte er. »Aber schlag nicht ein Waisenkind!«
    Korotkow zwängte sich in das Liftgehäuse, setzte sich auf die grüne Polsterbank dem zweiten Korotkow gegenüber und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Sand. Der Junge folgte ihm schluchzend, schloß die Tür, zog die Leine, und der Lift fuhr aufwärts. Schon krachten unten im Vestibül Schüsse, drehten sich Glastüren.
    Weich und Übelkeit erregend schwebte der Lift in die Höhe. Der Junge hatte sich beruhigt, er wischte sich mit einer Hand die Nase, mit der anderen bediente er die Leine.
    »Hast wohl Geld geklaut, Onkelchen?« fragte er neugierig und blickte Korotkow ins gramzerfurchte Gesicht.
    »Unterhoser … greifen wir an«, antwortete Korotkow keuchend, »er ist ja auch zum Angriff übergegangen …«
    »Onkelchen, du mußt am besten nach ganz oben, wo die Billardräume sind«, riet ihm der Junge. »Da auf dem Dach kannst

Weitere Kostenlose Bücher