Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Theater mit dem Namen des verstorbenen Wsewolod Meyerhold, der bekanntlich im Jahre 1927 bei der Inszenierung von Puschkins »Boris Godunow« umkam, als Trapeze mit nackten Bojaren abstürzten, zeigte eine buntschillernde elektrische Reklametafel, welche das Stück »Hühnertod« von dem Schriftsteller Ehrendorg ankündigte, einstudiert von dem Meyerhold-Schüler und Verdienten Regisseur der Republik Kuchterman. Daneben, im »Aquarium«, schillerten Reklamelichter und glänzte ein halbnackter Frauenkörper, dort lief im Grün der Estrade unter donnerndem Applaus eine Revue des Schriftstellers Leniwzew, »Die Kinder des Huhns«. Durch die Twerskaja schließlich zog mit Laternen rechts und links des Kopfes eine Reihe Zirkuseselchen, behängt mit glänzenden Plakaten: Im Korsch-Theater werde »Chantecler« von Rostand wiederaufgenommen.
Jugendliche Zeitungsverkäufer schrien und heulten zwischen den Autorädern. »Grausiger Fund im unterirdischen Gewölbe! Polen rüstet zu einem grausigen Krieg! Grausige Versuche von Professor Persikow!«
Im Zirkus des ehemaligen Nikitin, in der angenehm nach Dung riechenden, fettbraunen Arena sprach der totenbleiche Clown Bom zu dem von Wassersucht gequollenen karierten Bim: »Ich weiß, weshalb du so traurig bist!«
»Weshalb denn?« piepste Bim.
»Du hast Eier vergraben, und die Miliz vom 15. Revier hat sie gefunden.«
»Hahahahaha« – der Zirkus lachte dermaßen, daß das Blut in den Adern vor Freude und Wehmut erstarrte und die Trapeze und Spinnengewebe unter der uralten Kuppel ins Schwingen gerieten. »Hepp!« schrien die Clowns durchdringend, und ein herausgefütterter Schimmel trug eine bezaubernd schöne Frau mit schlanken Beinen, in fleischfarbenem Trikot, in die Arena.
Ohne jemanden anzusehen, ohne jemanden wahrzunehmen, ohne auf die Püffe und leisen Lockungen der Huren zu reagieren, ging Persikow, beseelt und einsam, gekrönt von unerwartetem Ruhm, die Mochowaja hinunter zu der erleuchteten Uhr bei der Manege. Hier prallte er in seiner Geistesabwesenheit gegen einen sonderbar altmodischen Mann und stieß sich empfindlich die Finger an dem hölzernen Revolverfutteral, das der am Gürtel hängen hatte.
»Au, verdammt!« piepste Persikow. »Verzeihung!«
»Ich habe mich zu entschuldigen«, entgegnete der Mann mit unangenehmer Stimme, und irgendwie kamen sie in dem Menschengewühl voneinander los. Der Professor ging weiter in Richtung Pretschistenka, er hatte den Zusammenstoß sofort vergessen.
Siebentes Kapitel
Schreck
Wir wissen nicht, ob die veterinärmedizinischen Impfungen im Lefort-Institut wirklich gut, ob die Handelskontrolleure in Samara wirklich anstellig, ob die strengen Maßnahmen in Kaluga und Woronesh gegen die Eieraufkäufer wirklich zweckmäßig waren und ob die Außerordentliche Kommission in Moskau erfolgreich arbeitete, aber wir wissen genau, daß die Union der Republiken zwei Wochen nach der letzten Begegnung Persikows mit Bronski gänzlich ohne Hühner war. Da und dort lagen auf den Höfen der Kreisstädtchen verwaiste Hühnerfedern herum und trieben Tränen in die Augen, und in den Krankenhäusern genasen die letzten Vielfraße von ihrem blutigen Brechdurchfall. Menschliche Todesfälle hatte es glücklicherweise in der ganzen Republik nur eintausend gegeben. Die Seuche hatte auch keine große Unordnung zur Folge. Zwar tat sich in Wolokolamsk ein Prophet hervor, indem er verkündete, das Hühnersterben sei von niemand anderem verschuldet als von den Kommissaren, aber besonderen Zulauf hatte er nicht. Auf dem Wolokolamsker Markt wurden ein paar Milizionäre verprügelt, die Marktweibern Hühner weggenommen hatten, außerdem gingen im Post- und Telegraphenamt der Stadt die Fensterscheiben zu Bruch. Glücklicherweise waren die Wolokolamsker Behörden so gescheit, Maßnahmen zu treffen, in deren Ergebnis erstens der Prophet seine Tätigkeit einstellte und zweitens neue Fensterscheiben in der Post eingesetzt wurden.
Als die Seuche im Norden Archangelsk und Sjumkin Wyssjolok erreicht hatte, machte sie ganz von selbst halt, weil sie nicht weiterkonnte, da im Weißen Meer bekanntlich keine Hühner leben. Zum Stehen kam sie auch in Wladiwostok, weil dahinter der Ozean begann. Im fernen Süden verschwand und versickerte sie irgendwo in den ausgeglühten Räumen von Ordubat, Dshulfa und Karabulak, und im Westen stoppte sie erstaunlicherweise genau an der Grenze zu Polen und Rumänien. Ob dort ein anderes Klima herrschte oder ob es an den Schutz- und
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