Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
(Zentralkommission zur Verbesserung der Versorgung von Wissenschaftlern) in der Pretschistenka einen Vortrag über seinen Strahl und dessen Wirkung auf die Eizelle zu halten. Es wurde ein gigantischer Triumph für den wunderlichen Zoologen. Im Säulensaal machte das Händeklatschen die Decke rieseln und bröckeln, und die zischenden Bogenlampen tauchten die schwarzen Smokings der Zekubisten und die weißen Kleider ihrer Damen in helles Licht. Auf der Bühne, neben dem Rednerpult, hockte auf einem Glastisch in einer Schüssel hechelnd ein naßgrauer Frosch, so groß wie eine Katze. Zettel flogen zum Pult. Unter ihnen waren sieben Liebesbriefe, die Persikow jedoch zerriß. Mit Gewalt wurde er vom Vorsitzenden der Zekubu auf die Bühne geschleppt, um sich zu verbeugen. Er tat es gereizt, seine Hände waren schweißfeucht, und die schwarze Krawatte saß nicht unterm Kinn, sondern hinterm linken Ohr. Vor ihm waren, in Dunst und Atem gehüllt, Hunderte von gelben Gesichtern und weißen Männerbrüsten, doch plötzlich blinkte ein gelbes Pistolenfutteral und verschwand hinter einer weißen Säule. Persikow bemerkte es zerstreut und vergaß es. Als er aber nach dem Vortrag die mit einem himbeerroten Läufer belegte Treppe hinunterstieg, war ihm plötzlich nicht gut. Für einen Moment wurde der helle Lüster im Vestibül schwarz, es verschwamm Persikow vor den Augen, er spürte leichten Brechreiz, glaubte Brandgeruch zu wittern und bildete sich ein, Blut flösse ihm heiß und klebrig den Hals hinab. Mit zitternder Hand griff er nach dem Geländer.
    »Ist Ihnen nicht gut, Wladimir Ipatjewitsch?« fragten, von allen Seiten herbeieilend, besorgte Stimmen.
    »Doch, doch«, antwortete Persikow, der sich schon besser fühlte. »Ich bin einfach überarbeitet … ja … Geben Sie mir ein Glas Wasser.«
     
    Es war ein sehr sonniger Augusttag. Das störte den Professor, darum hatte er die Jalousien heruntergelassen. Ein Reflektor auf biegsamem Fuß warf ein scharfes Lichtbündel auf einen Glastisch voller Linsen und Geräte. Persikow klappte die Lehne des Drehstuhls zurück, rauchte erschöpft und blickte durch die Rauchschwaden mit vor Müdigkeit toten, doch zufriedenen Augen in die angelehnte Tür des Gehäuses, wo das rote Lichtbündel des Strahls still dalag und die ohnehin stickige und verbrauchte Luft im Arbeitszimmer noch mehr erwärmte.
    Es klopfte.
    »Was gibt’s?« fragte Persikow.
    Die Tür quietschte sanft, und Pankrat trat ein. Er legte die Hände an die Hosennaht und sagte, aus Furcht vor der Gottheit erbleichend: »Zu Ihnen will ein Schreck, Herr Professor.«
    Eine Art Lächeln faltete die Wangen des Gelehrten. Er verengte die Augen und sprach: »Sehr interessant. Aber ich bin beschäftigt.«
    »Der Herr sagen, er hätten ein staatliches Dokument vom Kreml.«
    »Schreck mit Dokument? Eine seltene Kombination«, versetzte Persikow und fügte hinzu: »Na schön, laß ihn rein!«
    »Zu Befehl!« entgegnete Pankrat und war draußen.
    Gleich darauf quietschte die Tür erneut, und auf der Schwelle erschien ein Mann. Der Drehstuhl knarrte, Persikow starrte den Ankömmling über die Brille und über die Schulter hinweg an. Der Professor stand dem Leben recht fern, es interessierte ihn nicht, aber selbst ihm fiel ein ganz wesentliches Merkmal des Mannes auf. Der trug sich seltsam altmodisch. 1919 wäre er in den Straßen der Hauptstadt keineswegs aufgefallen, Anfang 1924 wäre er noch angegangen, 1928 jedoch wirkte er sonderbar. In einer Zeit, da selbst der rückständigste Teil des Proletariats, die Bäcker, Jackett trug und die militärische Litewka eine Seltenheit, ein altmodisches Kleidungsstück war, seit Ende 1924 gänzlich aus der Mode, trug der Ankömmling eine zweireihige Lederjacke, eine grüne Hose, Wickelgamaschen und Halbstiefel, und an seiner Hüfte baumelte eine riesige Mauserpistole älterer Bauart in angeknackstem gelbem Holzfutteral. Das Gesicht des Mannes machte auf Persikow den gleichen Eindruck wie auf alle andern – einen äußerst unangenehmen. Die Äuglein blickten erstaunt und zugleich selbstsicher in die Welt, und die kurzen Beine mit den Plattfüßen hatten etwas Dreistes. Das Gesicht war blaurasiert. Persikow zog die Augenbrauen zusammen. Erbarmungslos ließ er den Stuhl knarren, und während er den Mann nicht mehr über die Brille hinweg, sondern durch sie hindurch ansah, sprach er: »Sie haben ein Dokument? Wo ist es?«
    Den Ankömmling beeindruckte sichtlich, was er sah. Er, der eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher