Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
keine Aufmerksamkeit verdiene … Nichtsdestoweniger bitte er den Bürger Professor nachdrücklich, das Vorkommnis des heutigen Abends streng geheimzuhalten. Dann gingen die Besucher.
Persikow kehrte zurück ins Arbeitszimmer zu seinen Diagrammen, aber er kam nicht dazu, sich ihnen zu widmen. Am Telephon leuchtete das Lämpchen auf, und eine weibliche Stimme bot dem Professor für den Fall, daß er eine hübsche und feurige Witwe zu ehelichen wünsche, eine Siebenzimmerwohnung an. Persikow brüllte in den Hörer: »Lassen Sie sich von Professor Rossolimo behandeln«, da klingelte es wieder.
Nun wurde Persikow etwas sanfter, denn es war eine recht bekannte Persönlichkeit, die ihn vom Kreml anrief, sich eingehend und teilnahmsvoll nach seiner Arbeit erkundigte und den Wunsch äußerte, dem Laboratorium einen Besuch abzustatten. Nach dem Gespräch wischte sich Persikow die Stirn und legte den Hörer neben das Telephon. In diesem Moment gellten in der Wohnung über ihm wilde Trompeten und Walkürengeheul – das Radio des Direktors vom Textiltrust brachte ein Wagnerkonzert aus dem Bolschoitheater. Unter dem Geheul und Gedröhn, das von der Decke rieselte, erklärte Persikow seiner Wirtschafterin, er werde den Direktor verklagen, er werde ihm den Radioapparat zertrümmern, er werde von Moskau zu des Teufels Großmutter fahren, denn man wolle ihn offensichtlich hinausgraulen. Sodann zerschmetterte er seine Lupe, legte sich im Arbeitszimmer aufs Sofa und entschlummerte unter dem zarten Tastengeklimper des berühmten Pianisten, das aus dem Bolschoitheater durch den Äther geflogen kam.
Tags darauf gingen die Überraschungen weiter. Als Persikow mit der Straßenbahn zu seinem Institut gefahren war, fand er auf der Vortreppe einen ihm unbekannten Bürger mit modischer grüner Melone vor. Der musterte ihn, stellte ihm jedoch keinerlei Fragen, deshalb ließ Persikow ihn gelten. Aber in der Diele des Instituts erhob sich bei seinem Eintritt außer dem verwirrten Pankrat ein zweiter Melonenhut und grüßte höflich.
»Guten Tag, Bürger Professor.«
»Was wollen Sie?« fragte Persikow drohend, während er sich mit Unterstützung Pankrats den Mantel herunterriß. Aber der Melonenhut beschwichtigte ihn alsbald, indem er ihm mit zarter Stimme zuraunte, der Professor rege sich unnütz auf, denn er, der Melonenhut, sei ja gerade hier, um den Professor gegen aufdringliche Besucher abzuschirmen, und der Professor möge unbesorgt sein, nicht nur die Türen des Arbeitszimmers, sondern auch die Fenster seien gesichert. Der Unbekannte klappte sodann für einen Moment das Jackettrevers um und ließ eine Art Abzeichen sehen.
»Hm … tja, ist ja alles sehr wohldurchdacht bei Ihnen«, brubbelte Persikow und fügte naiv hinzu: »Was werden Sie denn hier essen?«
Worauf der Melonenhut schmunzelnd erklärte, man werde ihn ablösen.
Die nächsten drei Tage vergingen prachtvoll. Zweimal kam Besuch aus dem Kreml, und einmal hatte Persikow Studenten zu examinieren. Sie rasselten samt und sonders durch, und ihren Gesichtern war abzulesen, daß der Professor ihnen geradezu abergläubisches Entsetzen einflößte.
»Werden Sie Straßenbahnschaffner! Was wollen Sie in der Zoologie?« tönte es aus dem Arbeitszimmer.
»Streng?« erkundigte sich der Melonenhut bei Pankrat.
»Und wie, Gott behüte«, antwortete Pankrat, »manch einer hält’s ja aus, aber wenn er rauskommt, das arme Luder, dann taumelt er, so hat er ihn fertiggemacht. Und gleich in die Kneipe.«
Über all diesem Kleinkram bemerkte der Professor gar nicht, daß drei Tage vergangen waren, doch am vierten Tag wurde er in die Wirklichkeit des Lebens zurückgeholt. Grund dafür war eine dünne Piepsstimme, die von der Herzenstraße heraufklang.
»Wladimir Ipatjewitsch!« rief die Stimme ins offene Fenster. Sie hatte Glück: Persikow war in den letzten Tagen ziemlich abgespannt. Eben ruhte er sich aus, saß rauchend im Sessel und blickte mit rotgeränderten Augen schlaff und geschwächt. Er konnte nicht mehr. Darum schaute er sogar mit einer gewissen Neugier zum Fenster hinaus und sah auf dem Gehsteig Alfred Bronski. Er erkannte den titelreichen Besitzer des Visitenkärtchens an dem spitzen Hut und dem Notizbuch. Bronski machte dem Fenster eine zarte und respektvolle Verbeugung.
»Ach, Sie?« fragte der Professor. Er hatte nicht die Kraft, ärgerlich zu werden, und war sogar gespannt, wie es weitergehen mochte. In dem Fenster wußte er sich vor Alfred sicher. Die unvermeidliche
Weitere Kostenlose Bücher