Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
im Baß.
    Aber niemand gab Antwort. Die beiden Agenten schritten den ganzen Hof rundum ab und wunderten sich immer mehr. Polaitis runzelte die Stirn. Stschukin war sehr ernst, seine blonden Brauen zogen sich immer mehr zusammen. Sie schauten durch das geschlossene Fenster in die Küche und sahen, daß dort niemand war, den Fußboden jedoch über und über weiße Geschirrscherben bedeckten.
    »Weißt du, hier ist wirklich was passiert. Das seh ich jetzt. Eine Katastrophe«, sagte Polaitis.
    »He, ist da wer? He!« schrie Stschukin, aber ihm antwortete nur das Echo unter dem Küchengewölbe.
    »Verdammt noch mal!« knurrte Stschukin. »Die Schlange kann sie doch nicht alle auf einmal verputzt haben! Oder sie sind alle weggelaufen. Gehen wir ins Haus.«
    Die Tür des Palastes mit der Säulenveranda stand sperrangelweit offen, und kein Mensch war zu finden. Die Agenten gingen sogar durch das Halbgeschoß, klopften überall und öffneten sämtliche Türen, aber sie erreichten gar nichts und kehrten über die ausgestorbene Freitreppe zurück in den Hof.
    »Wir müssen alles absuchen. Gehen wir zur Orangerie«, ordnete Stschukin an. »Vielleicht kann man irgendwo telephonieren.«
    Über den ziegelgepflasterten Weg gingen die Agenten zwischen Blumenrabatten auf den hinteren Hof, überquerten ihn und sahen vor sich die blinkenden Glasscheiben der Orangerie.
    »Warte mal«, flüsterte Stschukin und schnallte den Revolver vom Gürtel. Polaitis spitzte die Ohren, er machte das Maschinengewehr schußfertig. Ein sonderbares starkes Geräusch kam aus der Orangerie und von irgendwo weiter hinten. Es hörte sich an wie das Zischen einer Lokomotive. S-s-s-s-s-s …, zischte die Orangerie.
    »Paß auf, vorsichtig«, flüsterte Stschukin. Bemüht, leise aufzutreten, näherten sich die Agenten der Glaswand und äugten in die Orangerie.
    Polaitis prallte zurück. Sein Gesicht wurde bleich. Stschukin riß den Mund auf und stand starr, den Revolver in der Hand.
    Die Orangerie wimmelte wie ein madiger Brei. Verknäuelt und sich entflechtend, zischend und sich windend, scharrend und kopfpendelnd krochen riesige Schlangen auf dem Boden der Orangerie herum. Eierschalen bedeckten den Fußboden, die knirschten unter den Leibern. Oben brannte fahl eine mächtige elektrische Lampe, die das Innere der Orangerie mit eigenartigem Kinolicht füllte. Auf dem Fußboden standen drei dunkle Kästen wie gewaltige Fotoapparate; zwei von ihnen waren verschoben und schief und tot, während im dritten ein kleiner, aber intensiver himbeerroter Lichtfleck glühte. Schlangen aller Größen wanden sich die Leitungen entlang, glitten an den Fensterrahmen hoch, schlüpften durch die Löcher im Dach. An der Lampe selbst hing eine mehrere Meter lange fleckigschwarze Schlange, deren Kopf bei der Lampenkugel pendelte. Durch das Zischen tönte ab und zu ein Klappern, und ein fauliger Teichgeruch wehte aus der Orangerie. Die Agenten sahen ferner Haufen weißer Eier in den staubigen Ecken, bei den Gehäusen lagen unbeweglich ein storchartiger Riesenvogel und neben der Tür, bei seiner Flinte, der Leichnam eines graugekleideten Mannes.
    »Zurück«, schrie Stschukin und wich rückwärts. Mit der linken Hand drückte er Polaitis zur Seite, mit der rechten hob er den Revolver. Etwa neun Schüsse feuerte er ab, grüne Blitze zuckten zur Orangerie. Das Zischen verstärkte sich grauenhaft, als Antwort auf Stschukins Schießen geriet die Orangerie in rasende Bewegung, durch sämtliche Löcher schoben sich platte Köpfe. Donner sprang durch den ganzen Sowchos und brach sich an den Wänden. Beng-beng-beng-beng, schoß Polaitis im Rückwärtsgehen. Hinter sich hörte er ein eigenartiges vierpfotiges Rascheln, und plötzlich brüllte er gräßlich auf und stürzte rücklings. Das Wesen war von braungrüner Farbe, hatte vier auswärts gebogene Beine, eine riesige spitze Schnauze und einen kammartig gezackten Schwanz, es erinnerte an eine gigantische Eidechse. Dieses Wesen war hinter der Scheunenecke hervorgesprungen, hatte Polaitis wütend ins Bein gebissen und ihn zu Fall gebracht.
    »Hilfe«, schrie Polaitis, und schon geriet sein linker Arm in den Rachen und knirschte, seine Rechte bemühte sich vergeblich, das Maschinengewehr zu heben, zog es aber nur über die Erde. Stschukin fuhr herum und taumelte. Einen Schuß feuerte er ab, doch er hatte zu sehr seitlich gehalten, um seinen Genossen nicht zu treffen. Einen zweiten Schuß richtete er gegen die Orangerie, denn von dort schob

Weitere Kostenlose Bücher