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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Erbrechen gewürgt, riß er sich endlich vom Fleck und stürmte blindlings, unter gellendem Gebrüll, in wilder Flucht davon.

Neuntes Kapitel
Der lebende Wimmelklumpen
    Stschukin, Agent der Staatspolitischen Verwaltung (GPU) auf der Station Drugino, war ein sehr mutiger Mann. Nachdenklich sagte er zu seinem Genossen, dem rothaarigen Polaitis: »Na schön, fahren wir hin, nicht? Hol das Motorrad.« Nach kurzem Schweigen bat er den Mann, der auf der Bank saß: »Legen Sie die Flöte hin.«
    Aber der schlotternde weißhaarige Mann auf der Bank im Zimmer der GPU von Drugino legte die Flöte nicht hin, sondern begann zu weinen und stieß unartikulierte Laute aus. Stschukin und Polaitis sahen ein, daß sie ihm die Flöte wegnehmen mußten. Seine Finger hielten sie fest umklammert. Stschukin, der sich durch gewaltige Kraft auszeichnete, mit der er zum Zirkus hätte gehen können, bog Finger um Finger auf, nahm die Flöte und legte sie auf den Tisch.
    Es war ein früher sonniger Morgen, der auf den Tag von Manjas Tod folgte.
    »Sie fahren mit uns«, sagte Stschukin zu Alexander Schreck. »Sie müssen uns zeigen, was da war und wo.«
    Aber Schreck wich entsetzt vor ihm zurück und hielt die Hände vors Gesicht, als sähe er eine fürchterliche Vision.
    »Sie müssen es uns zeigen«, fügte Polaitis streng hinzu.
    »Nein, laß ihn! Du siehst doch, der Mann ist nicht bei sich.«
    »Schickt mich nach Moskau«, bat Alexander Schreck weinend.
    »Wollen Sie denn überhaupt nicht zurück in den Sowchos?«
    Aber Schreck versteckte sich statt einer Antwort wieder hinter seinen Händen. Entsetzen strömte ihm aus den Augen.
    »Na schön«, entschied Stschukin, »ich sehe, Sie sind wirklich nicht bei Kräften. Gleich kommt der Kurierzug, mit dem können Sie fahren.«
    Während der Stationswächter Schreck Wasser zu trinken gab und dessen Zähne gegen den schartigen Becher schnatterten, fand zwischen Stschukin und Polaitis eine Beratung statt. Polaitis vermutete, daß überhaupt nichts gewesen war, sondern Schreck einfach geisteskrank sei und eine gräßliche Halluzination gehabt habe. Stschukin hingegen neigte zu dem Gedanken, in Gratschowka, wo gegenwärtig ein Zirkus gastiere, könne eine Boa constrictor ausgebrochen sein. Schreck, der ihr zweifelndes Flüstern hörte, erhob sich. Er kam ein wenig zu sich und sagte mit ausgestreckten Armen wie ein biblischer Prophet: »Hört mich an! Hört! Warum glaubt ihr mir nicht? Sie war da. Wo wäre sonst meine Frau?«
    Stschukin wurde ernst und schweigsam, er schickte ein Telegramm nach Gratschowka. Ein dritter Agent wich auf seine Anweisung nicht von Schrecks Seite, er sollte ihn nach Moskau bringen. Stschukin und Polaitis bereiteten sich auf die Expedition vor. Sie besaßen zwar nur einen einzigen elektrischen Revolver, aber das war schon ein ganz guter Schutz. Das fünfzigschüssige Modell des Jahres 1927, Stolz der französischen Waffentechnik für den Nahkampf, schoß nur hundert Schritt weit, hatte aber ein Trefferfeld von zwei Meter Durchmesser, in dem alles Lebendige vernichtet wurde. Fehlzuschießen war sehr schwer. Stschukin steckte das blanke elektrische Spielzeug zu sich, während Polaitis sich mit einem gewöhnlichen fünfundzwanzigschüssigen Kleinmaschinengewehr bewaffnete und Reservemagazine einsteckte. Durch morgendlichen Tau und kühle Luft tuckerten sie mit dem Motorrad die Chaussee entlang zum Sowchos. Die Maschine legte die zwanzig Werst von der Station zum Sowchos in einer Viertelstunde zurück (Schreck war die ganze Nacht gegangen, denn er hatte sich in Anfällen von Todesangst immer wieder im Gras neben der Straße versteckt), und als die Sonne schon tüchtig brannte, erblickten sie auf dem Hügel, an dessen Fuß sich das Flüßchen Top hinschlängelte, vor grünem Hintergrund den Säulenpalast im Zuckerbäckerstil. Totenstille ringsum. Die Agenten überholten ein Fuhrwerk mit einem Bauern. Dieses war mit Säcken beladen, es trottete langsam vorwärts und blieb rasch zurück. Das Motorrad fuhr über die Brücke, und Polaitis ließ das Signalhorn erschallen, damit sich jemand zeigte. Jedoch zeigte sich niemand, nur aus dem fernen Konzowka tönte wütendes Hundegebell. Das Motorrad verlangsamte die Fahrt und fuhr auf das von grünangelaufenen Löwen flankierte Tor zu. Die beiden Agenten, staubüberpudert, mit gelben Gamaschen, sprangen ab, ketteten das Motorrad ans Gitter und betraten den Hof. Die Stille verfehlte ihre Wirkung nicht.
    »He, ist da jemand?« rief Stschukin

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