Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
und das graue Dach des Badehäuschens zu sehen. Vor Alexander Schreck flirrten ein paar Libellen. Schon wollte er den hölzernen Steg betreten, als sich plötzlich im Grün das raschelnde Schleifen wiederholte, dazu gesellte sich ein kurzes Zischen, als würden Öl und Dampf aus einer Lokomotive abgelassen. Schreck spitzte die Ohren und blickte aufmerksam in die dichte grüne Wand des wuchernden Unkrauts.
»Alexander Semjonowitsch«, erklang in diesem Moment die Stimme von Frau Schreck, und ihre weiße Bluse blinkte in einem Himbeergesträuch. »Warte, ich komm mit baden.«
Die Frau eilte herbei, aber Alexander Schreck gab ihr keine Antwort, er starrte wie gebannt in das Klettengestrüpp. Daraus stieg langsam ein olivgrauer Balken empor und wuchs zusehends in die Höhe. Schreck schien es, als sei der Balken mit feuchtgelben Flecken gesprenkelt. Der Balken streckte, bog sich und reckte sich pendelnd so hoch, daß er die knorrige Weide überragte. Nun knickte das obere Ende ab, klappte ein wenig herunter, und über Schreck war etwas Ähnliches wie eine Moskauer Straßenlaterne. Nur war es dreimal so dick wie ein Laternenpfahl und infolge eines schuppigen Musters auch viel schöner. Alexander Schreck, der noch nichts begriff, aber sich schon eisig überhaucht fühlte, starrte zur Spitze des grausigen Pfahls, und sekundenlang setzte sein Herzschlag aus. Ihm schien, plötzlich wäre Frost über den Augusttag hereingebrochen, und vor seinen Augen wurde es so dämmrig, als blicke er durch eine Sommerhose hindurch in die Sonne.
Die Spitze des Balkens war ein Kopf, platt und spitz, geschmückt mit einem runden gelben Fleck auf olivgrauem Untergrund. Die lidlosen eisigen und schmalen Augen glitzerten in nie gesehener Bösartigkeit. Der Kopf machte eine Bewegung, als hacke er in die Luft, die ganze Säule sank zurück in die Kletten, und nur die Augen blieben und sahen Schreck starr an. Schreck, mit klebrigem Schweiß bedeckt, sprach vier Wörter, die ganz unwahrscheinlich und nur von der den Verstand trübenden Angst hervorgebracht waren, so fürchterlich wirkten diese Augen im Blattwerk.
»Was sollen die Scherze …«
Dann fiel ihm ein, daß die Fakire … ja … ja … Indien … ein Korb, ein Bild … Sie beschwören Schlangen.
Wieder stieg der Kopf in die Höhe, und auch der Leib kam zum Vorschein. Alexander Schreck setzte die Flöte an die Lippen und blies, heiser piepsend und alle Augenblicke keuchend, den Walzer aus »Eugen Onegin«. Die Augen im grünen Kletticht erglühten sofort in unversöhnlichem Haß auf diese Oper.
»Bist du übergeschnappt, bei dieser Hitze zu flöten?« rief Manja fröhlich, und Alexander Schreck sah mit dem Augenwinkel irgendwo rechts einen weißen Fleck.
Dann gellte ein schrilles Kreischen durch den ganzen Sowchos, schwoll an, schwang sich in die Höhe, und der Walzer hüpfte wie auf einem gebrochenen Bein. Der Kopf schnellte aus dem Grün vorwärts, die Augen ließen Alexander Schreck los, gaben ihn frei. Die Schlange, gut zehn Meter lang und so dick wie ein Mensch, federte aus den Kletten. Eine Staubwolke erhob sich vom Weg, der Walzer brach ab. Die Schlange sauste am Sowchosleiter vorbei den Weg entlang, direkt auf die weiße Bluse zu. Schreck sah ganz deutlich: Manja wurde gelblichweiß, und ihre langen Haare standen wie aus Draht einen halben Meter hoch über dem Kopf gesträubt. Vor Schrecks Augen riß die Schlange den Rachen auf, aus welchem etwas Gegabeltes züngelte, schlug der in den Staub sinkenden Manja die Zähne in die Schulter und riß sie in die Höhe. Manja stieß einen durchdringenden Todesschrei aus. Die Schlange umwand sie als zehn Meter lange Spirale, ihr Schwanz peitschte eine Windhose hoch, und sie quetschte Manja zusammen. Diese gab keinen Ton mehr von sich, Schreck hörte nur noch ihre Knochen krachen. Ihr Kopf schwebte hoch über der Erde, zärtlich an den Schlangenhals geschmiegt. Aus ihrem Mund sprudelte Blut, ein gebrochener Arm sprang heraus, unter den Fingernägeln hervor spritzten dünne Blutstrahlen. Und dann klappte die Schlange die Kiefer auseinander, stülpte den weit aufgerissenen Rachen über Manjas Kopf und schob sich darüber wie ein Handschuh über den Finger. Glutheißer Atem wehte nach allen Seiten, streifte Schrecks Gesicht, und der Schwanz hätte ihn in der beißenden Staubwolke fast vom Weg gefegt. In diesem Moment war es, daß Schreck weiß wurde. Zuerst links, dann rechts wurde sein stiefelschwarzes Haar silbrig. Von tödlichem
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