Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
sich inmitten kleinerer Schlangenköpfe ein gewaltiger olivgrauer heran, der den Rumpf direkt gegen ihn schnellte. Der Schuß tötete die Riesenschlange, und Stschukin umsprang Polaitis, der im Rachen des Krokodils schon halbtot war, und suchte nach einer Stelle, von wo er das schreckliche Reptil töten konnte, ohne den Agenten zu verletzen. Endlich gelang ihm dies. Der Elektrorevolver knallte zweimal, alles ringsum in grünes Licht hüllend, das Krokodil zuckte hoch, streckte sich, ließ erstarrend Polaitis los. Dem rann Blut aus dem Ärmel und aus dem Mund, auf den rechten, gesunden Arm gestützt, zog er das gebrochene linke Bein an. Seine Augen erloschen.
»Stschukin … lauf weg«, stammelte er schluchzend.
Stschukin schoß ein paarmal nach der Orangerie, so daß noch mehrere Scheiben herausflogen. Aber von hinten federte aus einem Kellerfenster eine riesige olivgraue, biegsame Schlange über den Hof, den ihr zwölf Meter langer Körper ausfüllte, und wand sich blitzschnell um Stschukins Beine. Dieser stürzte zu Boden, der blanke Revolver flog weg. Stschukin brüllte mächtig auf, doch dann hatte er keine Luft mehr, denn die Spiralringe schlossen ihn gänzlich ein, mit Ausnahme des Kopfes. Der oberste Ring schob sich über den Kopf, ihn skalpierend, und dann knackte der Kopf. Weiter ward im Sowchos kein einziger Schuß mehr gehört. Alles ging unter in lautem Zischen. Als Antwort darauf trug der Wind aus dem fernen Konzowka ein Geheul heran, doch es war nicht mehr zu unterscheiden, ob es von Hunden oder von Menschen kam.
Zehntes Kapitel
Die Katastrophe
In der Nachtredaktion der Zeitung »Iswestija« brannten hell die Lampen, und der dicke Redakteur vom Dienst umbrach auf dem Bleitisch die zweite Kolumne mit den Telegrammen »Aus der Union der Republiken«. Eine Fahne fiel ihm ins Auge, er sah sie durch den Kneifer genauer an, lachte schallend, rief die Korrektoren aus dem Korrektorenzimmer und den Metteur herbei und zeigte ihnen die Fahne. In der schmalen Kolumne stand auf dem feuchten Papier gedruckt:
»Gratschowka, Gouvernement Smolensk. In unserem Kreis ist ein Huhn aufgetaucht, so groß wie ein Pferd, und es schlägt auch aus wie ein Pferd. Statt des Schwanzes trägt es bourgeoise Damenfedern.«
Die Setzer lachten schallend.
»Zu meiner Zeit«, sagte der Redakteur vom Dienst mit sattem Kichern, »als ich noch bei Wanja Sytin im ›Russkoje Slowo‹ arbeitete, da haben wir manchmal so gesoffen, daß wir Elefanten gesehen haben. Das ist wahr. Heutzutage sieht man dann also Strauße.«
Die Setzer lachten.
»Ja, das muß wirklich ein Strauß sein«, sagte der Metteur, »was ist, sollen wir’s einrücken, Iwan Wonifatjewitsch?«
»Du spinnst wohl«, antwortete der Redakteur vom Dienst, »ich staune schon, daß der Sekretär es durchgelassen hat. Das hat bestimmt ein Besoffener geschickt.«
»Ja, die müssen gefeiert haben«, pflichteten die Setzer ihm bei, und der Metteur räumte die Notiz über den Strauß vom Tisch.
So kam es, daß die »Iswestija« am nächsten Tag wie immer eine Menge interessanten Materials enthielt, jedoch nicht die leiseste Anspielung auf den Strauß von Gratschowka. Privatdozent Iwanow, der die Zeitung in seinem Arbeitszimmer gründlich zu lesen pflegte, blätterte um, sagte gähnend: »Nichts Interessantes bei« und schlüpfte in seinen weißen Kittel. Gleich darauf brannten in seinem Arbeitszimmer die Bunsenbrenner und quakten die Frösche. In Professor Persikows Zimmer herrschte Unordnung. Pankrat stand erschrocken da, die Hände an den Hosennähten.
»Verstanden … Zu Befehl«, sagte er.
Persikow hatte ihm ein versiegeltes Schreiben ausgehändigt mit den Worten: »Du fährst direkt zur Tierzuchtabteilung, zu diesem Vorsitzenden Vogelferkow, und sagst ihm ins Gesicht, daß er ein Schweinehund ist. Sag ihm, ich, Professor Persikow, hätte das gesagt. Und gibst ihm den Brief.«
Schöne Bescherung, dachte der blasse Pankrat und trollte sich mit dem Brief.
Persikow kochte.
»Das ist doch eine ganz verdammte Geschichte«, jammerte er, wanderte durchs Arbeitszimmer und rieb sich die Hände, die in Handschuhen steckten, »eine nie dagewesene Verhöhnung meiner Person und der Zoologie. Diese verfluchten Hühnereier treffen haufenweise ein, aber ich bekomme seit zwei Monaten nicht das, was ich brauche. Als ob Amerika so weit weg wäre! Ewig diese Unordnung, ewig diese Schlamperei!« Er zählte an den Fingern ab: »Für das Einfangen … na, höchstens zehn Tage, na gut,
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