Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
ausgerückt. Sie müssen also die Tür offengelassen haben und selbst weggegangen sein. Ich will meine Kücken wiederhaben!«
»Wo sollte ich schon hingehen? Als ob ich meine Pflicht nicht kenne«, sagte der Krieger gekränkt. »Sie können mir nichts vorwerfen, Genosse Schreck!«
»Aber wo sind sie denn geblieben?«
»Was weiß ich«, fuhr der Krieger auf, »hab ich mich darum zu kümmern? Ich bin dazu da, aufzupassen, daß keiner die Gehäuse klaut, und diese Pflicht erfüll ich auch. Da sind die Gehäuse. Ihre Kücken zu fangen, bin ich laut Gesetz nicht verpflichtet. Wer weiß, was für Kücken da bei Ihnen ausschlüpfen. Vielleicht holt man die nicht mal mit dem Fahrrad ein.«
Alexander Schreck war ein wenig ernüchtert, er brabbelte vor sich hin und verfiel in einen Zustand der Verblüfftheit. Die Sache war in der Tat merkwürdig. In dem ersten Gehäuse, das als erstes mit Eiern beschickt worden war, erwiesen sich die beiden Eier im Mittelpunkt des Strahls als aufgebrochen. Eines davon war sogar zur Seite gerollt. Die Schale lag auf dem Asbestboden im Bereich des Strahls.
»Das soll der Teufel kapieren«, brummte Schreck, »die Fenster sind zu, und durchs Dach können sie ja nicht gut geflogen sein.«
Er legte den Kopf in den Nacken und schaute hinauf, dahin, wo im Glasgeflecht des Dachs ein paar Löcher klafften.
»Was soll das, Alexander Semjonowitsch«, sagte Dunja sehr verwundert. »Ihre Kücken können doch nicht weggeflogen sein. Die müssen hier irgendwo stecken. Put, put, put«, rief sie und schaute in die Winkel der Orangerie, wo verstaubte Blumentöpfe, Bretter und allerlei Trödel herumlagen. Aber die Kücken gaben keine Antwort.
Der gesamte Personalbestand lief wohl zwei Stunden lang auf dem Sowchoshof herum und suchte nach den hurtigen Kücken, doch gefunden wurde nichts. Der Tag verlief in größter Aufregung. Zur Bewachung der Gehäuse wurde zusätzlich der Wächter beordert, überdies erging strengster Befehl, alle Viertelstunden in die Gucköffnungen der Gehäuse zu schauen und bei der geringsten Veränderung Alexander Schreck zu rufen. Der Aufpasser saß stirnrunzelnd an der Tür, die Flinte zwischen den Knien. Alexander Schreck war ganz abgehetzt und kam erst gegen zwei zum Mittagessen. Danach schlief er ein Stündchen im kühlen Schatten auf der ehemaligen Ottomane der Scheremetjews, trank reichlich Dörrbrotkwaß aus eigener Sowchosfertigung, schaute sodann in die Orangerie und überzeugte sich, daß dort jetzt alles in schönster Ordnung war. Der alte Wächter lag bäuchlings auf einer Bastmatte und äugte blinzelnd durchs Kontrollfenster des ersten Gehäuses. Der Aufpasser war munter, er wich nicht von der Tür.
Es gab auch Neuigkeiten: Die Eier im dritten Gehäuse, das zuletzt beschickt worden war, hatten zu tacken und zu schmatzen begonnen, es war, als ob in ihrem Innern jemand aufschluchzte.
»Aha, sie reifen«, sagte Alexander Schreck, »ja, sie reifen, jetzt seh ich’s. Siehst du?« sagte er zum Wächter.
»Ja, großartig«, antwortete der kopfschüttelnd und sehr doppeldeutig.
Alexander Schreck saß noch ein Weilchen bei den Gehäusen, aber in seiner Gegenwart schlüpfte nichts aus, darum erhob er sich aus der Hocke, lockerte die steif gewordenen Glieder und erklärte, er werde das Grundstück nicht verlassen, sondern gehe nur im Teich baden, und man solle ihn im Falle eines Falles sofort rufen. Er eilte in den Palast, ins Schlafzimmer, wo zwei schmale Sprungfederbetten mit zerknüllten Laken standen. Am Boden lag ein Haufen grüner Äpfel neben Bergen von Hirse, Futter für die zu erwartenden Kückenscharen. Schreck griff sich ein Frottiertuch, nahm nach kurzem Überlegen auch die Flöte mit, um sich die Mußestunde am Teich zu verschönen. Dann verließ er den Palast, überquerte den Sowchoshof und ging durch die Weidenallee zum Teich. Er schritt munter aus, das Handtuch schwenkend, die Flöte unterm Arm. Der Himmel strahlte Gluthitze durch die Weiden, der Körper war schwer und verlangte nach Wasser. Rechts von Schreck begann ein Klettengestrüpp, in das er im Vorübergehen hineinspuckte. Sogleich tönte aus der Tiefe des Blättergewirrs ein Schleifen, als zöge jemand einen Balken hinter sich her. Schreck spürte flüchtig ein ekelhaftes Ziehen im Herzen, er wandte den Kopf dem Gestrüpp zu und guckte verwundert: Der Teich hatte schon zwei Tage lang keinerlei Laut hören lassen. Das Schleifen verstummte. Über die Kletten hinweg war einladend das Blinken des Teichs
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