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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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fünfzehn … schön, meinetwegen auch zwanzig, für den Flug zwei Tage, von London nach Berlin einen Tag. Von Berlin bis hier zu uns sechs Stunden … Unbeschreibliche Schlamperei.«
    Wütend stürzte er ans Telephon und rief irgendwo an.
    In seinem Arbeitszimmer war alles bereit für geheimnisvolle und sehr gefährliche Experimente. Da lag in Streifen geschnittenes Papier zum Verkleben der Türen, da waren Taucherhelme mit Ableitrohren, und da standen mehrere Ballons, glänzend wie Quecksilber, mit Aufklebern »Freiwillige Chemikergesellschaft«, »Nicht berühren« und einem Schädel nebst gekreuzten Knochen.
    Mindestens drei Stunden dauerte es, bis der Professor sich beruhigt hatte und an seine Kleinarbeiten gehen konnte. Gewöhnlich arbeitete er bis elf Uhr nachts im Institut, darum hatte er keine Ahnung, was außerhalb der cremefarbenen Mauern vor sich ging. Weder das dumme Gerücht von irgendwelchen Schlangen, das in Moskau geisterte, noch das sonderbare schreierische Telegramm in der Abendzeitung gelangten zu seiner Kenntnis, denn Privatdozent Iwanow sah sich im Künstlertheater »Fjodor Ioannowitsch« an, demzufolge war niemand da, der es dem Professor hätte sagen können.
    Gegen Mitternacht traf Persikow zu Hause in der Pretschistenka ein und legte sich zu Bett, wo er vor dem Schlafen noch einen englischen Artikel in dem aus London eingetroffenen »Zoologischen Boten« las. Dann schlief er, und es schlief das ganze bis spät in die Nacht rotierende Moskau. Nicht schlief nur das riesige graue Gebäude in der Twerskaja, wo die Rotationsmaschinen der »Iswestija« unter dröhnendem Summen das ganze Haus vibrieren ließen. Im Zimmer des Redakteurs vom Dienst ging alles drunter und drüber. Wie rasend sauste er mit rotgeränderten Augen herum, wußte nicht, was zuerst tun, und verfluchte alle zu des Teufels Großmutter. Der Metteur wich ihm nicht von den Fersen und sagte, eine Schnapsfahne aushauchend: »Iwan Wonifatjewitsch, das ist doch kein Beinbruch, da machen wir eben für morgen früh ein Extrablatt. Wir können doch nicht die Nummer aus der Maschine reißen.«
    Die Setzer waren nicht nach Hause gegangen, sie drängten sich zu Grüppchen und lasen die Telegramme, die jetzt die ganze Nacht hindurch alle Viertelstunden eintrafen und immer Ungeheuerlicheres und Seltsameres zu berichten wußten. Alfred Bronskis spitzer Hut blinkte im blendenden rosa Licht, das die Druckerei erhellte, und der mechanische Dickwanst tauchte knarrend und humpelnd bald da, bald dort auf. Die Haustür klappte ununterbrochen, und die ganze Nacht kamen und gingen die Reporter. Auf allen zwölf Apparaten der Druckerei wurde pausenlos angerufen, und die Zentrale antwortete schon fast mechanisch »besetzt«, »besetzt«, und vor den schlaflosen Fräuleins in der Zentrale piepten und piepten die Signale.
    Die Setzer klebten an dem mechanischen Kapitän auf großer Fahrt, der zu ihnen sagte: »Flugzeuge mit Gas muß man hinschicken.«
    »Genau«, antworteten die Setzer, »das ist ja eine ganz tolle Geschichte.« Dann schwirrten säuische Flüche durch die Luft, und eine kreischende Stimme schrie: »Diesen Persikow müßte man erschießen.«
    »Was hat denn Persikow damit zu tun?« rief es aus der Menge.
    »Dieser Hundesohn im Sowchos, der gehört erschossen.«
    »Eine Wache hätten sie aufstellen müssen«, brüllte jemand immer wieder.
    »Ja, vielleicht sind das gar keine Eier.«
    Das ganze Gebäude summte und vibrierte von den Rotationsmaschinen, und es sah aus, als ob der unansehnliche graue Klotz in elektrischem Feuer loderte.
    Der anbrechende Tag änderte nichts, im Gegenteil, es wurde heftiger, obwohl das Licht erlosch. Motorräder und Autos rollten in den asphaltierten Hof. Ganz Moskau war auf den Beinen, und die weißen Zeitungsblätter sprenkelten wie Vögel die Stadt. Sie raschelten in aller Händen, und die Zeitungsverkäufer hatten gegen elf nicht mehr genug Exemplare, obwohl die »Iswestija« in diesem Monat in einer Auflage von anderthalb Millionen erschien. Professor Persikow fuhr mit dem Autobus von der Pretschistenka zum Institut. Hier erwartete ihn eine Neuigkeit. Im Vestibül standen sorgfältig mit Metallbändern beschlagene Holzkisten, drei Stück, mit fremdländischen Aufklebern in deutscher Sprache gesprenkelt, über denen nur eine russische Kreideinschrift prangte:
    »Vorsicht – Eier«.
    Stürmische Freude erfaßte den Professor.
    »Endlich«, schrie er. »Pankrat, mach die Kisten auf, langsam und vorsichtig,

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