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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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glasigen Augen vor sich hin und rauchte. Außer ihm waren nur noch zwei Menschen im Institut – Pankrat und die immer wieder in Tränen ausbrechende Wirtschafterin Marja Stepanowna, die schon die dritte schlaflose Nacht im Arbeitszimmer des Professors verbracht hatte, weil der um keinen Preis das letzte ihm verbliebene, längst erloschene Gehäuse verlassen wollte. Jetzt hatte Marja Stepanowna auf dem Wachstuchsofa in der dunklen Ecke Zuflucht gesucht. Schweigend hing sie traurigen Gedanken nach und sah zu, wie der Teekessel für den Professor auf dem Dreibein über dem Bunsenbrenner zu kochen begann. Das Institut war still, und alles kam ganz plötzlich.
    Von draußen tönten auf einmal gellende Haßschreie herein, so daß Marja Stepanowna kreischend aufsprang. In der Straße blinkten Laternen, und Pankrats Stimme ließ sich aus dem Vestibül vernehmen. Der Professor nahm den Lärm kaum wahr, er hob nur für einen Moment den Kopf, murmelte: »Ach, wie die toben … was mach ich jetzt nur« und fiel zurück in seine Erstarrung. Diese wurde jedoch gebrochen. Die eisenbeschlagene Tür des Instituts zur Herzenstraße dröhnte furchtbar, und sämtliche Wände erschütterten. Die dicke Spiegelglasscheibe im Nebenzimmer platzte. Klirrend fiel auch die Scheibe im Arbeitszimmer des Professors heraus, und ein grauer Pflasterstein flog ins Zimmer, wo er den Glastisch zertrümmerte. Die Frösche in den Terrarien zuckten zusammen und erhoben Geheul. Marja Stepanowna stürzte atemlos zum Professor, packte ihn bei den Händen und schrie: »Laufen Sie weg, Wladimir Ipatjewitsch, laufen Sie!« Persikow erhob sich vom Drehschemel, richtete sich gerade und krümmte den Zeigefinger, wobei seine Augen für einen Moment den früheren scharfen Glanz des früheren beseelten Persikow zurückgewannen.
    »Ich bleibe«, sagte er. »Das ist doch dummes Zeug. Sie toben wie die Verrückten. Wenn ganz Moskau den Verstand verloren hat, wo soll ich dann schon hin? Und hören Sie bitte auf zu schreien. Was kann ich dafür? Pankrat!« rief er und drückte auf den Knopf.
    Er wollte gewiß Pankrat auffordern, diese Unruhe, die er noch nie gemocht hatte, abzustellen. Aber Pankrat konnte nichts mehr machen. Das Dröhnen endete damit, daß die Institutstür aufsprang und von weitem das Knallen von Schüssen zu hören war, doch dann erdröhnte das ganze steinerne Gebäude von laufenden Füßen, von Schreien und Scherbenklirren. Marja Stepanowna klammerte sich an Persikows Ärmel, wollte ihn irgendwohin ziehen, doch er wehrte sie ab, richtete sich hoch auf und trat im weißen Kittel hinaus auf den Korridor.
    »Na?« fragte er. Eine Tür ging auf, und das erste, was sich in ihr zeigte, war der Rücken eines Uniformierten mit himbeerrotem Winkel und einem Stern auf dem linken Ärmel. Rückwärts trat er durch die Tür, in die eine wütende Menge hereindrängte, und schoß mit dem Revolver. Dann flüchtete er an Persikow vorbei, der wie eine weiße Skulptur dastand, rief noch: »Professor, retten Sie sich, ich kann nichts mehr machen.«
    Ihm antwortete ein Kreischen Marja Stepanownas. Der Uniformierte verschwand in der Finsternis der verschlungenen Korridore auf der anderen Seite. Menschen stürmten herein, brüllten: »Schlagt ihn! Bringt ihn um!«
    »Weltverbrecher!«
    »Dir haben wir die Reptilien zu verdanken!«
    Verzerrte Gesichter, zerrissene Kleidung in den Korridoren, jemand schoß. Knüppel wurden geschwungen. Persikow trat ein wenig zurück, um die Tür zu seinem Arbeitszimmer zu decken, wo Marja Stepanowna voller Todesangst auf dem Fußboden kniete, breitete die Arme wie ein Kruzifix, um die Menge aufzuhalten, und schrie gereizt: »Das ist ja vollendeter Wahnsinn! Ihr seid wie die wilden Tiere. Was wollt ihr?« Er brüllte: »Raus hier!« Und schloß mit dem wohlbekannten scharfen Ruf: »Pankrat, jag sie raus!«
    Aber Pankrat konnte keinen mehr rausjagen. Pankrat lag mit zertrümmertem Schädel, zertrampelt und in Stücke gerissen, unbeweglich im Vestibül, und immer neue Menschenmengen rasten an ihm vorbei, ohne auf das Schießen der Miliz von der Straße her zu achten.
    Ein niedriggewachsener Mann mit krummen Affenbeinen, bekleidet mit einem zerrissenen Jackett und ebensolchem verrutschtem Chemisett, kam allen anderen zuvor, erreichte Persikow und spaltete ihm mit einem fürchterlichen Knüppelhieb den Schädel. Persikow wankte, fiel seitlich zu Boden, und seine letzten Worte waren: »Pankrat … Pankrat …«
    Die gänzlich unschuldige Marja

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