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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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verloren, verloren. Der Schuft mit der schmutzigen Mütze, Koch in der Kantine für Normalverpflegung der Angestellten des Zentralrats der Volkswirtschaft, hat mich mit kochendem Wasser begossen und mir die linke Seite verbrüht. Dieser Dreckskerl, und das will ein Proletarier sein. Herr du mein Gott, wie das weh tut! Das kochende Wasser hat sich bis auf die Knochen durchgefressen. Jetzt heule ich und heule, aber hilft das etwa?
     
    Was habe ich ihm getan? Fresse ich etwa den Zentralrat der Volkswirtschaft arm, wenn ich den Müll durchwühle? Gieriges Vieh! Seht euch bloß mal die Visage an! Der Kerl ist ja mehr breit als hoch. Ein Gauner mit kupferroter Fresse. Ach, die Menschen, die Menschen. Mittags hat er mich mit kochendem Wasser bewirtet, und jetzt wird es schon dunkel, vier Uhr nachmittags mag es sein, nach dem Zwiebelgeruch aus der Feuerwache in der Pretschistenka-Straße zu urteilen. Die Feuerwehrleute essen zu Abend Grützbrei, wie ihr wißt. Aber das ist ja das allerletzte, fast so wie Pilze. Bekannte aus der Pretschistenka haben mir übrigens erzählt, in der Neglinnaja-Straße, im Restaurant »Bar«, da fressen sie als Tagesgericht Pilze in pikanter Soße, 3 Rubel 75 Kopeken die Portion. Das ist was für Feinschmecker, so als ob man an einer Galosche leckt. Huuuuuh …
    Die Seite tut unerträglich weh, und meine weitere Karriere ist deutlich abzusehen: Morgen werden sich Geschwüre bilden, und womit soll ich die kurieren? Im Sommer kann man in den Park von Sokolniki flitzen, da wächst ein sehr gutes Kraut, außerdem frißt man sich gratis an Wurstzipfeln satt und leckt das fettige Papier ab, das die Bürger wegschmeißen. Und wenn nicht irgendeine alte Vettel auf der Wiese im Mondschein »holde Aida« singt, so daß einem das Herz in die Hose rutscht, ist es dort wunderschön. Aber wo soll ich jetzt hin? Hat man Sie schon mal mit dem Stiefel in den Hintern getreten? Man hat. Hat man Ihnen schon mal einen Ziegelstein in die Rippen geschmissen! Ich glaube, oft genug. Ich habe alles durchgemacht, ich finde mich mit meinem Schicksal ab, und wenn ich jetzt weine, dann nur vor physischem Schmerz und vor Kälte, denn mein Geist ist noch nicht erloschen. Hunde haben einen zähen Geist.
    Nur mein Körper, der ist zerschlagen und zerbrochen, die Menschen haben sich reichlich daran ausgetobt. Das schlimmste: Das kochende Wasser hat sich durchs Fell gefressen, also ist die linke Seite jetzt ungeschützt. Ich kann sehr leicht eine Lungenentzündung kriegen, und wenn ich die habe, liebe Leute, dann muß ich Hungers krepieren. Mit Lungenentzündung soll man im Vorderhaus unter der Treppe liegen, doch wer wird dann für mich, den einsam daliegenden Hund, die Müllkästen nach Nahrung absuchen? Wenn die Lunge krank wird, krieche ich auf dem Bauch und werde immer schwächer, und jeder (ausländische) Spezialist kann mich mit dem Knüppel totschlagen. Dann packen mich die Hausmeister an den Beinen und schmeißen mich auf den Wagen …
    Die Hausmeister sind von allen Proletariern das scheußlichste Gesindel. Menschlicher Abschaum, die allerunterste Kategorie. Köche gibt’s verschiedene. Zum Beispiel der verstorbene Wlas aus der Pretschistenka. Wie vielen hat er das Leben gerettet! Wenn man krank ist, muß man vor allem einen Bissen schnappen. Alte Hunde erzählen, Wlas hätte manchmal sogar mit einem Knochen gewinkt, an dem noch ein Achtelchen Fleisch dran war. Gott schenkte ihm das Himmelreich, denn er war eine wirkliche Persönlichkeit, herrschaftlicher Koch bei den Grafen Tolstoi, nicht beim Zentralrat für Normalverpflegung. Was die da mit der Normalverpflegung anstellen, ist für einen Hundeverstand unfaßbar. Die Halunken nehmen ja für die Kohlsuppe stinkendes Pökelfleisch, und die armen Kunden wissen es nicht. Sie laufen hin, fressen, schlürfen.
    Eine Stenotypistin in der neunten Lohngruppe kriegt fünfundvierzig Rubel, allerdings schenkt ihr Liebhaber ihr noch Strümpfchen aus Fil de Perse. Aber für diese Strümpfe muß sie sich eine Menge gefallen lassen. Er behandelt sie ja nicht auf gewöhnliche Weise, sondern zwingt sie zu französischer Liebe. Diese Franzosen sind richtige Schweine, unter uns gesagt. Sie mampfen zwar üppig, und immer gibt’s Rotwein dazu. Ja … Da kommt sie angelaufen, die kleine Stenotypistin, schließlich kann sie mit fünfundvierzig Rubeln nicht in die »Bar« gehen. Auch fürs Kino reicht es nicht bei ihr, dabei ist das Kino für die Frauen das einzige Vergnügen im Leben. Sie

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