Teufels-Friedhof
Schnauze, zeigte spitze Zähne, biß aber nicht zu. Vivian grinste, denn sie dachte an ihre Mutter. Wenn die wüßte, daß ihre Tochter mit einer Ratte in einer Wohnung zusammenlebt - die würde einen mittelschweren Nervenzusammenbruch bekommen, so wie die seelisch gebaut war.
Heinz wartete schon an der Tür. Er verließ auch als erster die Wohnung und nahm seinen schwarzen Helm auf. Vivian fuhr ohne, das war zwar verboten, aber es hatte sie noch niemand erwischt. Den Reißverschluß ihrer Lederjacke zog sie bis unter das Kinn hoch.
»Los, wir verziehen uns.«
Vivian nickte und ging hinter ihrem Gruftie-Freund her. Im Haus gab es keinen Fahrstuhl. Wer ganz oben wohnte, mußte eben die vier Etagen über die Treppen laufen und hatte Zeit genug, auch die Wände zu beschmieren, denn die sahen fürchterlich aus. Auch Heinz hatte seine Malereien hinterlassen, meist obszöne Sprüche.
An diesem Abend hatten beide keine Zeit. Sie wollten so schnell wie möglich in die Disco.
Draußen war es kalt.
Vivian hatte kaum einen Fuß vor die Tür gesetzt, da fing sie an zu frieren und schüttelte sich, als hätte man sie mit Eiswasser bespritzt. Heinz schob sein Moped von der Hauswand weg. Er ging dabei über den Rasen des Vorgartens.
Die Fenster im Haus waren allesamt erhellt. Um diese Zeit saßen die meisten schon vor der Glotze. Am Freitag lief immer irgendein Serienkrimi, auf den die beiden Grufties verzichten konnten. Vivian wollte gerade aufsteigen, als die Tür eines in der Nähe parkenden Fahrzeugs geöffnet wurde. Es war ein Opel Rekord. Das Innere erhellte sich, der Mann hinter dem Lenkrad war auch für Vivian gut zu erkennen.
»Ach du Scheiße, mein Alter.«
»Was will der denn hier?«
»Weiß ich auch nicht.«
»Soll ich abhauen?«
»Nee, warte mal.«
Aus dem Opel stieg ein dunkelhaariger Mann, der eine dicke Stoffjacke trug. Der Mann hatte die gleichen schwarzen Haare wie seine Tochter, nur breiteten sich bei ihm schon graue Strähnen aus.
»Hallo, Vivian«, sagte er und blieb dicht neben seiner Tochter stehen.
»Was ist denn? Ist was? Du kommst eigentlich ungelegen. Wir wollten gerade fahren.«
»Ja, das stimmt«, meldete sich Heinz.
»Du hältst dein Maul«, erklärte der Mann, der Rudi Golombek hieß und sein Geld als Vorarbeiter bei einem großen Dortmunder Stahlkonzern verdiente.
»Was soll ich?« kreischte Gruftie-Heino.
»Sei ruhig!« zischte Vivian. Sie kannte ihren Vater. Der hatte von klein auf gelernt, so richtig zu arbeiten, und zwar mit körperlicher Kraft, auch wenn er jetzt in einer elektronischen Steuerzentrale stand. Aber die alten Zeiten waren nicht vergessen. Die Arbeit hatte nicht nur Kraft gekostet, ihm auch Kraft gegeben. Der putzte den schmalen Gruftie weg wie eine Fliege von der Scheibe.
Nur liebte er seine Tochter über alles. Es war das einzige Kind der Golombeks. Der Mann hatte sich gequält, als Vivian ausgezogen war. Immer wieder hatte er es versucht, die Tochter zurückzuholen. Besuche wie heute allerdings waren selten.
»Was ist denn?«
»Das will ich dir sagen, Vivian. Ich habe vor zwei Stunden deine Mutter ins Krankenhaus gebracht.«
»Ach!« Vivian spürte, wie ein Stich ihre Brust durchraste. Plötzlich verlor sie das Blut aus dem Gesicht und hatte das Gefühl, weinen zu müssen.
»Du sagst nichts?«
»Ich… ich bin überrascht.«
Durch die Nase atmete Rudi Golombek ein. »Sie hatte Schmerzen im Leib und im Rücken. Die Ärzte haben noch nicht feststellen können, was es ist.«
»Mutter ist ja noch jung. Die wird das überstehen.«
»Ich weiß nicht, aber davon abgesehen, Vivian. Du hast nicht einmal gefragt, wo sie liegt.«
»Wo ist sie denn?«
»In den Städtischen Krankenanstalten. Sie würde sich bestimmt freuen, wenn wir sie morgen gemeinsam besuchen. In der Nacht soll niemand zu ihr, hat man mir gesagt.«
»Mal sehen.«
»Wir wollten doch morgen weg«, sagte Heinz. »Da wird alles anders sein, das weißt du!« Er bewegte sich unruhig auf seinem Moped. Sekunden später saß er stocksteif, da hatte Vivians Vater zugegriffen und mit seiner mächtigen Faust das Hemd dicht unter dem Hals des jungen Mannes zusammengedrückt.
»Wenn du jetzt nicht dein verdammtes Maul hältst, dann stoße ich dich in einen Gully? Klar?«
Gruftie-Heino deutete nur ein Nicken an, zu mehr war er nicht fähig. Golombek ließ ihn langsam los, er schaute wieder seine Tochter an. »Ich hoffe, du hast es begriffen. Auch wenn du nicht mehr bei uns wohnst, es ist deine Mutter,
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