Teufels-Friedhof
und gehörte zum Ortsteil Nette, nicht weit von der Disco entfernt. Die vereinzelt stehenden Laternen gaben ein blaßblaues Licht ab, das die Finsternis dieses Abends kaum erhellte.
Vivian wollte sich schon abwenden, als sie das typische Knattergeräusch des Mopeds hörte. So laut, daß es sogar bis zu ihr hindrang. Gruftie-Heino kam. Das Fahrzeug bog in den schmalen Weg ein, der in einer Sackgasse endete. Heinz hockte wie ein gefrorener Klumpen auf der Maschine unci stellte sie an der Hauswand ab.
Vivian fror jetzt schon, wenn sie daran dachte, daß sie damit zur Disco fahren würde, aber immer noch besser als bei dieser Kälte zu Fuß zu gehen. Heinz hatte auch mal einen Wagen besessen, der allerdings war nicht mehr funktionstüchtig. Die alte Karre fuhr nur im Sommer, bei großer Kälte streikte sie.
Sie wußte, wie lange ihr Freund brauchte, um die Wohnungstür zu erreichen. Bevor er sie noch öffnen konnte, zog sie die Tür auf. Heinz arbeitete bei einer kleinen Firma als Schlosser und trat fluchend über die Schwelle.
»Scheiße, Überstunden.«
»Na und? Gibt doch Kies.«
»Nee, will der Alte nicht rausrücken. Ich soll die Stunden gefälligst abfeiern.«
»Und? Machst du das?«
»In den Arsch trete ich den, in den Arsch.« Gruftie-Heino war sauer, als er sich aus seiner Lederkleidung schälte und sofort zu den anderen Klamotten griff, die Vivian im Flur bereitgelegt hatte. In die Stiefel schlüpfte er wieder, nachdem er sich in die Stoffhose gezwängt hatte. Um das linke Hosenbein schnürte er sich hoch bis zum Knie zahlreiche Gürtel, ein Markenzeichen von ihm. Er zog ein Rüschenhemd an, darüber ein violettes Jackett und Stoffhandschuhe, die allerdings die Finger freiließen.
»Willst du dich so auf dein Moped setzen?« fragte Vivian.
»Nee, noch den Helm.«
»Hör doch auf, du frierst dir den Pinn ab.«
»Ist das meiner — oder?« Heinz betrat das Bad, um im Spiegel sein Aussehen zu kontrollieren, wobei es ihm vor allen Dingen um den Haarschmuck ging, an dem er eigentlich nichts mehr richten mußte. Im letzten Jahrhundert war das weltberühmte Buch vom Struwwelpeter geschrieben und gezeichnet worden. Und wie Struwwelpeter sah auch Gruftie-Heino auf seinem Schädel aus.
Da standen die Haare aufrecht wie Nadeln, fielen aber auf der Vorderseite des Kopfes nach vorn.
Die Ohren lagen frei, der Nacken ebenfalls. Heinz sah aus, als hätte er eine Perücke auf dem Kopf.
Vivian wartete an der Tür. »Hör mal, der Helm wird deine Haare plattdrücken.«
»Na und?«
»Ich meine ja nur.«
»Ist mir doch egal. Wichtig ist, daß wir gut hinkommen.« Er drehte sich um und streckte seinen rechten Zeigefinger aus. »Heute nacht wird es nämlich passieren.«
»Glaubst du das?«
»Sicher. Da werden wir den Teufel oder zumindest einen seiner hohen Dämonen sehen. Wir müssen nur um Mitternacht auf dem Gelände der alten Zeche sein.«
»Steigt es dann aus dem Schacht?«
»Quatsch, Mensch. Der Teufel braucht keinen Schacht. Der ist überall, weißt du? Der… der kann uns beobachten. Oder hast du ihn noch nie gespürt?«
»Doch.«
»In der Nacht wirst du ihn sehen.« Über Vivians Gesicht lief ein Strahlen.
»Mann, Heinz, das ist echt geil, ist das.«
»Sag' ich doch.«
»Willst du noch was essen?«
Der bleichgesichtige Heinz, dessen Züge etwas Mädchenhaftes aufwiesen, starrte Vivian an. »Bist du irre? Ich kann mir ja Rattenfleisch braten - oder?«
»Laß ja Gulp in Ruhe.«
»Von ihm habe ich nichts gesagt.«
»Will ich dir auch geraten haben, sonst mache ich hier die große Flatter.«
Heinz tippte gegen seine Stirn. »Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank. Wer nimmt dich denn auf mit deiner komischen Ratte? Niemand, sage ich dir.«
»Du tust so, als müßtest du die Bude hier bezahlen. Vergiß nicht, daß ich die Hälfte der Miete bleche.«
»Emanze, wie?«
»Bestimmt nicht.«
»Will ich dir auch nicht geraten haben. Der Teufel braucht keine Emanzen. Der will es nur mit Weibern treiben, die ihm auch ergeben sind. Bist du doch, wa?«
»Immer. Sag mal, wo ist eigentlich dein Helm?«
»Liegt vor der Tür.«
»Dann können wir ziehen.«
»Meinetwegen, ja.«
Vivian ging noch einmal in den Wohnraum, um nach Gulp zu schauen. Die Ratte hatte ihren Platz noch immer nicht verlassen. Sie fühlte sich auf dem Sofa sauwohl. Vivian streichelte das Tier, nickte ihm zu und sprach mit ihm.
»Paß nur gut auf die Bude hier auf, Gulp, gib immer schön acht, hörst du?«
Die Ratte öffnete ihre
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