Teufels-Friedhof
mußten sie erst den Ring durchbrechen.
Sie rührten sich nicht. Junge Mädchen und Männer, bleiche, ausgemergelt wirkende Gestalten.
Rudi Golombek hatte seine Tochter herumgezogen. Er wollte weitergehen, als er die Gestalten sah. Von ihnen strahlte eine Aura ab, die selbst Erwachsenen einen Schauer über den Rücken jagte. Zugleich änderte sich die Musik. Schwere Glockenschläge klangen durch die unheimliche Disco.
Der Mann hielt Vivian noch immer fest und vernahm hinter sich ihr schrilles Lachen. Das bewies ihm, auf welcher Seite seine Tochter stand, doch an Aufgabe dachte er nicht. Es ging einfach um zuviel. An diesem Tag hatte er eine persönliche Hölle erlebt: die plötzliche Krankheit seiner Frau und eine Tochter, die nicht auf seiner Seite stand. Rudi Golombek war zu einem Mann geworden, der einfach weiter wollte und wenn es mit dem Kopf durch die Wand war. »Laßt mich durch!« keuchte er. »Verdammt noch mal, gebt endlich den Weg frei!«
Die Grufties rührten sich nicht. Sie standen tatsächlich da wie Tote. Erst nach einigen Sekunden schüttelten die ersten von ihnen die Köpfe. Dabei zogen sie ihre dunkel angemalten Lippen in die Breite, so daß die Münder schon regelrechte Mäuler bildeten. Aus diesen Öffnungen drangen Vater und Tochter zischende Geräusche entgegen. Teuflische Geräusche.
»Nein! Nein! Nein!« Vivian kreischte wieder los. »Ich will nicht, daß ihr geht. Ich will bei euch bleiben. Ich will bei euch sein. Ich gehöre zu euch. Ich gehe mit auf den Friedhof, um ihn zu sehen. Der Teufel wird sich uns zeigen!«
»Ja, das wird er!«
Rudi Golombek wollte sich das nicht mehr länger anhören. Mit einem heftigen Ruck zerrte er seine Tochter noch weiter vor und setzte sich selbst in Bewegung.
Es war der berühmte Schritt zuviel.
Plötzlich kamen sie. Wie eine Woge stürzten sie auf ihn nieder, eine Aneinanderreihung von starren Körpern, die es aber schafften, sich plötzlich zu bewegen. Ausweichen konnte der Mann nicht mehr. Sie waren über ihm, bevor er sich versah, er spürte ihre Leiber, er bekam die Schläge mit und war gezwungen, seine Tochter loszulassen, weil er einfach beide Hände freihaben mußte, um sich zu wehren. Selbst jetzt konnten die Grufties von ihren einmal trainierten Bewegungen nicht lassen.
Sie schlugen zu, als hielten sie Schaufeln in der Hand. Mit den flachen Handflächen droschen sie auf den Mann ein. Mit eingezogenem Kopf rammte der die Grufties. So versuchte er, sich einen Weg zu bahnen, rechnete aber nicht mit der geballten Macht dieser Gruppe und hing irgendwann fest.
Schläge trafen seinen Hinterkopf, erwischten Rudi Golombek im Nacken, und nur ein Gedanke quälte ihn. Jetzt nur nicht zu Boden fallen, dann kommen sie über dich und treten dich zusammen.
Noch einmal riß er sich zusammen, schleuderte seinen Körper in die Höhe und ließ seine Arme wie zwei Windmühlenflügel auseinanderschnellen. Er hörte es klatschen, als er die Körper traf, die wie Puppen aus dem Weg flogen, was Golombek aber nicht sah, denn er hielt die Augen geschlossen und wollte durch.
Einer der Grufties hatte seine Hände zusammengelegt und holte zu einem Rundschlag aus.
Dieser Hieb erwischte den Mann in dem Augenblick, als er noch eine Gestalt aus dem Weg räumte. Während sie fiel, fiel er auch. Urplötzlich verwandelte sich der Boden unter ihm in ein gewaltiges Meer, dessen Wellen sich öffneten und einen riesigen schwarzen Schlund freigaben, der nur auf ihn wartete. Begleitet vom kreischenden Gelächter der Grufties kippte Rudi Golombek in diesen Schlund hinein, in dem zahlreiche zähe Arme auf ihn warteten, ihn damit umfingen und so hart waren, daß sie ihn nicht mehr losließen.
Er schlug schwer auf, holte sich eine Platzwunde an der Stirn, wurde aber nicht bewußtlos. Nur völlig fertig war er und hatte gleichzeitig das Gefühl, von einer Seite zur anderen geschleudert zu werden, ohne daß er etwas dagegen unternehmen konnte.
Daß sich zwei Grufties bückten, ihn umfaßten und mit rollenden Bewegungen auf den Rücken drehten, bekam er nicht mit. Golombek lag da, die Augen sowie den Mund geöffnet und bekam zunächst einmal nicht mit, was um ihn herum vorging.
Er fühlte sich matt und wünschte sich fast, endgültig in die Bewußtlosigkeit abzurutschen.
Den Gefallen tat man ihm nicht. Golombek tauchte nicht unter. Er blieb bei Bewußtsein, und allmählich klärte sich sein Blickfeld. Er konnte Schatten wahrnehmen, die ihn umtanzten, hörte die flüsternden
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