Teufels-Friedhof
dich.«
Vivian hatte die Worte verstanden. Allerdings dauerte es etwas, bis sie darüber nachgedacht und sie auch verdaut hatte. Es war eine Botschaft aus der normalen, ihr aber völlig fremden Welt, zu der sie an diesem Abend keinen Zutritt hatte.
Sie sank nach vorn, zuckte jedoch sofort wieder zurück, als ihr Vater sie anfassen wollte.
»Rühr mich nicht an!«
»Doch, Vivian, ich werde dich anfassen. Und ich werde dich aus diesem Tempel des Teufels herausholen. Bist du eigentlich wahnsinnig geworden? Weißt du überhaupt, was du dir selbst damit antust, wenn du dich hier unter diesen Typen bewegst? Weißt du das, Kind?«
»Ja, ich weiß es.«
»Das scheint mir nicht so.«
»Ich bin glücklich, Vater!« sprudelte es aus ihr hervor, »denn ich habe endlich meine Erfüllung gefunden, nach der ich vergebens so lange gesucht habe. Ich bin hier unter Freunden, und wir alle erleben den gewaltigen Schutz einer Kraft, die du nie in deinem Leben begreifen wirst.«
»Meinst du den Teufel?«
»Ja, den meine ich, Vater. Genau ihn und keinen anderen, verdammt noch mal.«
»Der Teufel hat immer nur genommen, nie gegeben. Schon in der Bibel steht, daß…«
Vivians Mund verzog sich zu einem verzerrten Etwas, und über ihre Lippen drang ein wilder, schriller Schrei. »Hör damit auf, von der Bibel zu reden. Ich hasse sie!«
»Du bist ja wahnsinnig, Mädchen. Du weißt nicht, was du da redest. Ich werde dich aus dieser verdammten Hölle herausholen, ob es dir nun paßt oder nicht!«
Golombek griff zu, und erging nicht gerade sanft mit seiner Tochter um, obgleich es ihm innerlich selbst weh tat.
Er zerrte sie trotz ihres Widerstandes auf sich zu, wollte sich zusammen mit ihr drehen, doch sie schrie wie eine Sirene.
Jetzt erwachten auch die anderen.
Das heißt, die Tänzer unterbrachen ihre Bewegungen und blieben so starr stehen, als hätte man bei irgendwelchen Marionetten die Fäden durchgeschnitten.
Sie blieben auf dem Fleck stehen, drehten nur die Köpfe und sahen eine der ihren, die sich verzweifelt gegen einen Erwachsenen stemmte, der sie in Richtung Ausgang zerren wollte.
Gruftie-Heino erwachte auch wie aus einem nebeligen Traum. Er stierte die beiden an, schüttelte den Kopf und wurde von Vivian angesprochen.
»Los, schmeiß ihn raus! Mach ihn fertig!«
»Rühr dich nicht!« schrie Golombek. »Ich habe dir schon mal etwas versprochen!«
Das hatte Heinz noch nicht vergessen. Jedenfalls schüttelte er sich und stampfte vor in Angriffshaltung.
Golombek schlug zu. Er hatte in seinem Leben hart arbeiten müssen, bei ihm waren die Muskeln noch in Ordnung, und der Gruftie bekam den Treffer voll mit.
Der hatte das Gefühl, als würde sein Kopf von den Schultern gerissen. Dabei flog er mit ihm gemeinsam zurück, rutschte aus, fiel hin und überrollte sich.
Mit schwerfallig wirkenden Bewegungen kam er wieder auf die Knie. Seine Nase blutete. Mit der linken Pranke hatte Golombek zugeschlagen, seine rechte umklammerte noch immer das Gelenk der Tochter. »Hast du gesehen, was mit deinen angeblichen Freunden geschieht? Sie werden es nicht schaffen, mich zurückzuhalten, das verspreche ich dir, Vivian.«
Sie sagte nichts, aber ihr Vater erschrak. Eine andere Kraft hielt sie unter Kontrolle, das war nicht mehr die Vivian, die er kannte. Auch ihre Stimme klang verändert. »Du…!« keuchte sie langgezogen.
»Du wirst es noch bereuen, hier eingedrungen zu sein.«
»Bestimmt nicht.« Golombek hatte Mühe, die Kontrolle über sich selbst zu behalten, am liebsten hätte er geschrien, getobt und um sich geschlagen, aber er beherrschte sich. Für ihn zählte nur, daß er Vivian wegbekam.
Sosehr sich das Mädchen auch gegen den Steinboden stemmte, ihr Vater zerrte sie weiter.
Die Tänzer waren in einer anderen Welt gewesen, sie hatten geistig abgehoben.
In diesem Zustand befanden sich die Gäste längs der Theke nicht. Zwar hatten auch sie sich zum größten Teil auf die Musik konzentriert, aber sie hielten zusammen und wollten es nicht hinnehmen, daß ein Gruftie aus ihrer Mitte gerissen wurde.
Ohne daß ihnen jemand einen Befehl gegeben hätte, erhoben sie sich gemeinsam von den Hockern, falls sie nicht schon gestanden hatten, und drehten sich um.
Dann gingen sie vor.
Schleichend bewegten sie sich in einer unheimlich anmutenden Prozession auf Tochter und Vater zu, bildeten um sie einen Halbkreis, wobei sie mit ihren Körpern den Weg zur Tür versperrten. Wenn die beiden die Disco tatsächlich verlassen wollten,
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