Teufels-Friedhof
und konnte ihm aus kurzer Entfernung ins Gesicht schauen. Rudi Golombek wich dem Blick nicht aus. Er forschte in den Augen seiner Tochter, um dort ein wenig Verständnis oder den Willen zur Hilfe entdecken zu können.
Vergeblich.
Vivians Blick blieb ebenso kalt und feurig zugleich wie die der anderen Grufties.
In diesem Augenblick erst wußte Rudi Golombek, daß er endgültig verloren hatte.
Auch seine Lippen waren von einem Hieb erwischt worden und leicht geschwollen. Er bewegte sie und wollte den Namen seiner Tochter flüstern, was er aber nicht schaffte.
Statt dessen flüsterte sie ihm etwas zu. »Der Friedhof, Vater, wir werden dich zum Friedhof schaffen. Er wartet auf uns, der Friedhof des Teufels, denn dort kannst du ihn sehen, unseren großen Beschützer, den Herrn der Finsternis, den Herrscher der Hölle, auch Satan genannt.« Die letzten Worte sprach sie mit einer wahren Lust aus, so daß Rudi erschauerte.
Und der rote Teufel lachte, bevor er noch etwas hinzufügte. »Ich freue mich für dich, mein Freund. Ich freue mich, daß wir dich zum Friedhof schaffen können. Weißt du, wer du sein wirst?«
Golombek schüttelte den Kopf und drückte ihn gleichzeitig zurück, weil der faulige Atem Oschinskis sein Gesicht streifte.
»Du wirst das erste Opfer für den Teufel sein. Dein Blut wird diesen unheimlichen Friedhof weihen…«
Er lachte wild nach dieser Erklärung auf, und die Grufties fielen ein in dieses wahrhaft höllische Gelächter, das durch den kahlen Raum der Disco gellte.
Nur Golombek lachte nicht. Hoffnungslos stierte er zu Boden, seine Gedanken rasten, und er hörte plötzlich die Stimme seiner Tochter, die etwas Unglaubliches fragte.
»Darf ich ihn für den Teufel töten?«
»Ja, meine Dienerin, das darfst du! Du wirst ihn umbringen und dem Satan beweisen, wie sehr wir zu ihm gehören!«
Diese Worte waren zuviel für Rudi Golombek. Plötzlich drehte sich alles vor seinen Augen, dann wußte er nichts mehr…
***
Der unheimliche Friedhof lebte…
Wo immer er hergekommen sein mochte, wo immer er entstanden war, der so tot und leer aussah und den nur die alten Grabsteine bedeckten, er hatte es durch die Kraft der Hölle geschafft, nicht unterzugehen. Reisen durch Zeit und Raum, der Sprung von einer Dimension zur anderen, das alles hatte er hinter sich, wohlgeleitet durch die Kräfte der Hölle, die ihn schützten.
Nun war er wieder sichtbar!
Auf dem alten Gelände einer Zeche stand er wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Ersah schlimm aus. Über ihm schwebte die Aura des Todes, der Vergänglichkeit und des Verfalls. Der Nebel legte sich wie ein Schleier über das Gelände und wanderte nur weiter, wenn der Wind ihn trieb.
Der Friedhof war tot und lebte trotzdem.
Nicht sichtbar für menschliche Augen, aber sehr gut fühlbar, geschahen in ihm unheimliche, geisterhaft böse Dinge, die der Satan plötzlich angeregt hatte.
Manchmal, nie regelmäßig bewegte sich die schwarzbraune Erde zwischen den alten Grabsteinen. Da riß sie auf, als hätte jemand an einem Stück Stoff gezerrt.
Risse blieben zurück. Manche lang, andere wieder sehr kurz, oft krumm und schief. Eines hatten sie gemeinsam.
Aus ihnen und einer sehr großen Tiefe entstanden, stiegen widerlich riechende Schwefelgaswolken hervor. Ein Zeichen dafür, daß der Teufel auf diesem alten Totenacker regierte.
Überwacht wurde das unheimliche Areal von dem mächtigen Förderturm, dieser Zechenruine, die man nie abreißen würde und gewissermaßen als Freilichtmuseum ließ.
Manchmal knackte es auch. Es hörte sich an, als wäre irgendwo ein Schuß gefallen.
Dann wurde es wieder still…
Dieser Friedhof war eine Welt für sich innerhalb der normalen. Welche Monstren sich in der Tiefe der Grabstätten verbargen, wußte wohl niemand, ausgenommen der Teufel selbst, denn er allein war der große Dirigent. Er beherrschte die unheimlichen Kräfte.
Schon immer hatten auf dem Zechengelände Ratten gelebt. Das war auch jetzt nicht anders, als man die Zeche stillgelegt hatte. Die Bergleute waren verschwunden, die Ratten nicht, und auch nicht ihre Sucht nach Fressen oder ihre angeborene Neugier.
Die Kälte hatte ihnen ein Winterfell wachsen lassen. Gut gepolstert huschten sie über den alten Acker. Sie spürten, daß der Hauch des Bösen hier zu Hause war, rannten nicht so wild, waren vorsichtig, sondierten die Lage, legten des öfteren Pausen ein, fiepten, huschten hinter den alten Grabsteinen her und suchten trotz allem nach Nahrung.
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