Teufels Küche
Gesicht, mit einer recht interessanten Nase und einem breiten Mund über einem ziemlich kleinen Kinn, das dennoch trotzig wirkte – oder vielleicht nur eigensinnig. Sie war mühelos hübsch und hätte mit ein bißchen kunstvollem Make-up auf eine verletzliche Weise vielleicht sogar schön sein können.
»Ich wohne in Apartment E – nach vorn raus«, sagte sie. »Mein Name ist Keats. Velveta Keats.«
»Velveta.«
»Das verrät Ihnen doch einiges, oder nicht? Über meine Familie, meine ich. Sie werden sich fragen, was für eine Sorte Leute ihre jüngste Tochter Velveta nennen würde.«
»Sollte ich?«
»Sicher. Die Antwort lautet: meine Sorte Leute. Die Keats. Die Florida-Keats. Oder, um ganz genau zu sein: die Miami-Keats. Meine Familie war in den sechziger und siebziger Jahren da drüben ganz groß im Drogengeschäft.«
»Aber jetzt nicht mehr«, sagte Citron.
»Sie sind ausgestiegen und zu T-Bills übergegangen. Zumindest vor einem Jahr oder so. Inzwischen sind sie vielleicht bei städtischen Anleihen eingestiegen. Ist Ihnen schon aufgefallen, wie schnell heutzutage alles geht? Die Keats sind innerhalb einer Generation von hundearm zu schweinereich aufgestiegen. Aber als ich zweiundfünfzig geboren wurde, nannten sie mich Velveta, weil sie damals fanden, daß es hübsch klingt und gut schmeckt.«
»Mögen sie Velveta immer noch?«
»Den Namen?«
»Den Käse.«
»Sie mögen keins von beiden mehr. Mama nennt mich jetzt Vee, und sie sind zu Brie übergegangen. Mama streicht ihn mit Mandelsplittern auf Cracker und legt sie für ein paar Sekunden in die Mikrowelle. Falls Sie sich fragen sollten, was ich hier draußen mache, ich bin Müßiggängerin. Sind Sie der neue Verwalter?«
»Eigentlich Hausmeister.«
»Wie heißen Sie?«
Citron sagte es ihr.
»Das ist hübsch. Französisch, nicht wahr?«
»Französisch.«
»Also, ich habe diese Toilette, bei der das Wasser ununterbrochen läuft.«
»Wackeln Sie daran.«
»Am Griff?«
»Richtig.«
»Das hab ich getan.«
»Versuchen Sie den Deckel aufzumachen. Da ist so ein runder Ball, der schwimmt oben. Biegen Sie den Stab, der den Ball hält. Biegen Sie ihn nach unten. Manchmal funktioniert das.«
»Das habe ich auch schon gemacht.«
»Haben Sie ein Radio?«
»Sicher.«
»Nun, dann stellen Sie das Radio ins Bad, schalten Sie es ein. Wenn Sie es laut genug einstellen, hören Sie die Toilette nicht mehr.«
Sie kam weiter in das Apartment hinein und sah sich neugierig um. »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
»So viele Sie wollen.« Er deutete auf den Sessel, aber Velveta Keats wählte statt dessen einen der Stahlrohrstühle. Citron nahm aus einem der beiden Pappkartons, die er aus dem Toyota hereingebracht hatte, zwei Liter roten Gallo heraus und schenkte den Wein in zwei nicht zueinander passende Käsegläser von Kraft ein. Eines reichte er Velveta Keats und nahm ihr gegenüber an dem Tisch Platz.
Sie betrachtete ihr Glas. »An die erinnere ich mich. In denen war Pimentkäse. Die Keats haben immer aus solchen Gläsern und aus Marmeladegläsern getrunken. Damals, als wir arm waren. Sind Sie arm?«
»Sehr«, sagte Citron.
»Was haben Sie getan – bevor Sie arm wurden?« sagte sie. »Das ist meine persönliche Frage.«
»Ich habe geschrieben, und ich bin gereist.«
»Meinen Sie damit, Sie waren ein Reiseschriftsteller? Was geht vor in Omaha. Schönes, unberührtes Belize. Tierra del Fuego mit zwanzig Dollar pro Tag. Solche Sachen?«
»Ich glaube, ich war eher ein schreibender Reisender.«
»Wo ist der Unterschied?«
»Na ja, ich bin irgendwo hingefahren, wo nicht zu viele Leute hinkommen, lebte dort eine Weile, vielleicht sechs Monate, manchmal länger, und dann habe ich darüber geschrieben, wie es da ist.«
»Tun Sie das hier auch – in Malibu?«
Citron schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Was ist passiert?«
»Ich glaube, ich bin schon überall gewesen.«
»Wie lange kennen Sie die Hauswirtin schon?«
»Craigie Grey? Nicht lange.«
»Wie lange ist nicht lange?«
»Etwa fünf Stunden.«
»Da haben Sie recht. Das ist nicht lange.«
Velveta Keats trank ihren Wein aus und stützte ihr Gesicht in die Hände. »Ich war drei Jahre lang mit einem Kubaner verheiratet.«
Citron wartete auf den Rest der Geschichte. Als fast fünfzehn Sekunden lang nichts als Schweigen folgte, sagte er: »Nun ja. Mit einem Kubaner.«
»Seiner Familie hat einmal die ganze Milch in Kuba gehört.«
»Vor Castro?«
»Hm-hmm. Ich kann mir nicht
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