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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Maureen ein, und Draper Haere stieg in eine Maschine der United und flog nach Los Angeles. Dort, in der ersten Klasse, verlangte und erhielt er, noch ehe die Maschine startete, einen Martini, den er seiner bandagierten Hände wegen durch zwei Strohhalme trank.
    Während der zwei Flugstunden nach Los Angeles starrte Haere auf die gelegentlich auftauchenden Lichter zehntausend Meter unter sich und dachte an den Tod und an Sterben und das letzte Begräbnis, an dem er teilgenommen hatte. Das war vor fünfundzwanzig Jahren die Beerdigung seines Vaters in Birmingham, Alabama, gewesen.
    Vater und Sohn waren 1954 von Denver nach Birmingham gezogen, als es Haere senior gelungen war, einen Job als Redakteur bei den Birmingham News zu ergattern. Den News schien es gleichgültig zu sein, ob Haere senior Kommunist war oder nicht, solange er sich als zuverlässiger Mitarbeiter und billige Arbeitskraft erwies. Haere beendete gerade sein erstes Studienjahr auf der High School, als sein Vater an seinen freien Tagen begann, mit dem Bus nach Sylacauga zu fahren. Zunächst dachte Haere, sein alter Herr hätte dort eine Freundin gefunden, bis sein Vater ihn eines Tages aufforderte mitzukommen. Sie stiegen an dem mit einem Billigkaufhaus kombinierten Bahnhof aus dem Trailways-Bus und wanderten dann noch fünf Kilometer weit aus dem Ort hinaus zu einem kleinen Farmhaus, wo sie auf der vorderen Veranda mit einem Mann im Alter seines Vaters zusammensaßen. Haere trank Limonade.
    Die beiden Männer tranken Bier. Keiner sprach viel. Auch der andere Mann hatte in Spanien gekämpft und war am linken Bein verwundet worden. Sie saßen dort diesen warmen Frühlingsnachmittag über bei einem nicht unbehaglichen Schweigen, das die mit Sicherheit beiden einzigen Veteranen des Abraham Lincoln Bataillons in Alabama gleichzeitig voneinander trennte und umfing. Am nächsten oder übernächsten Sonntag lehnte Haere ab, als sein Vater ihn fragte, ob er wieder mit ihm nach Sylacauga fahren wolle.
    Am 15. März 1957 wurde Haere in das Büro des Schulleiters gerufen, und man eröffnete ihm, daß ihm für volle vier Jahre ein Stipendium in Harvard angeboten werde. »Das ist in Cambridge«, erklärte der Direktor. »In Massachusetts.« Haere antwortete dem Direktor, darüber müsse er nachdenken.
    Erst Jahre später erfuhr Haere, daß ihm nicht sein glatter Einserdurchschnitt das Stipendium in Harvard eingebracht hatte. Tatsächlich verdankte er es Jack Replogle, der eine politische Schuld eingetrieben hatte. Replogle hatte Big Ed Johnson von Colorado angerufen, der wiederum mit Big Jim Folsom von Alabama telefonierte, der einen Bankier in Birmingham anrief, der sich seine beiden akademischen Grade – den B. A. wie auch den M. B. A. – in Harvard erworben hatte. Als Gouverneur unterhielt Big Jim hohe Staatskonten zinslos bei der Bank des Bankiers. Der Bankier war einer der inoffiziellen Talentscouts von Harvard und brauchte nur wenige Minuten, um sich zu entscheiden, daß Draper Haere sich hervorragend für seine Alma mater eigne.
    Als Haere seinem alten Herrn von dem Stipendienangebot erzählte, hatte Haere senior gegrinst und gefragt: »Kein Scheiß? Willst du das annehmen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Haere.
    »Ich sehe keinen Grund, warum nicht.«
    »Ich werd’s mir überlegen«, sagte Haere.
    Er kam vier Wochen später zu einer Entscheidung, als sein Vater an Herzversagen starb, während er vor dem Radio sitzend einer Rede von Fulton Lewis jun. lauschte, den er haßte. Er hätte es auch gehaßt, wenn jemand es Herzversagen genannt hätte. »An Herz versagen sterben alle«, sagte er manchmal zu Haere, einen seiner liebsten Redaktionsgrundsätze zitierend. »Aber getötet wird man von einem Herz anfall oder einem Herz schlag. Merk dir das.«
    Das vorhandene Geld reichte gerade aus, um ihn auf einem Memorial Park genannten Friedhof zu begraben. Es gab keinerlei Gottesdienst. Der Mann aus Sylacauga kam zur Beerdigung. Er und Haere fuhren zusammen im Wagen des Bestattungsunternehmers hinter dem Leichenwagen her zum Friedhof. Von der Zeitung kam niemand. Haere erfuhr nie, warum nicht. Vielleicht, sagte er sich, haben sie es einfach vergessen.
    Im Leichenwagen saßen zwei Angestellte des Bestattungsunternehmens. Die beiden trugen mit Haere und dem Mann aus Sylacauga zusammen den Sarg, der billigste, der zu haben war. Im letzten Augenblick fuhr noch ein Wagen vor, ein Hudson von 1949, und ein Mann von Ende vierzig stieg aus. Wortlos nahm er einen der

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