Teufels Küche
sein.«
»Spurlos«, sagte Tighe.
»In Luft aufgelöst, nehme ich an«, sagte Haere.
Yarn nickte. »Wohin sonst?«
»Nun ja«, sagte Haere und blickte aus irgendeinem Grund auf seine verbundenen Hände. Tighe bemerkte es.
»Tun sie noch weh?« fragte Tighe.
»Nein«, sagte Haere. »Nicht sehr.«
Nachdem sie gegangen waren, blieb Haere noch an der Tür stehen und sah auf seine bandagierten Hände hinab. Dann drehte er sich um, ging zum Telefon hinüber, blickte auf die Uhr, nahm dann den Hörer ab und wählte die Nummer von Baldwin Veatch, dem designierten Gouverneur.
7
Sie trafen sich am nächsten Morgen um 7.30 Uhr zum Frühstück, zu dritt: Draper Haere, Baldwin Veatch und seine Frau, die frühere Louise Guidry aus Crowley, Louisiana, wo sie 1967 im Alter von achtzehn Jahren zur Königin des jährlichen Reisfestivals gekrönt worden war. Zwei Jahre später war sie in Berkeley einer der Hitzköpfe gewesen, die den Marsch im People’s Park angeführt hatten. Nach Abschluß ihres Studiums war sie 1972 nach Sacramento gegangen, um dort für Baldwin Veatch, damals frischgebackener Senator von Kalifornien, zu arbeiten. Später im gleichen Jahr heirateten sie. Im Herbst 1973 hatten sie und Draper ihre lange, hoffnungslose und oft erbitterte Affäre begonnen.
Louise Veatch schlürfte Tee, und ihr Mann trank schwarzen Kaffee in einer Nische in Kenny’s Delikatessenrestaurant am Wilshire Boulevard in Santa Monica. Ihnen gegenüber wischte Draper Haere mit einem Stück Roggentoast den Rest seiner zwei Spiegeleier zusammen. Zwei Nischen weiter saßen zwei Cops der State Police, die Bodyguards des designierten Gouverneurs. Beide waren Ende zwanzig und tranken nie etwas Stärkeres als Orangensaft.
Draper Haere liebte Arbeitsfrühstücke, weil er herausgefunden hatte, daß die meisten Menschen am Morgen nicht in bester Form sind. Das erwies sich manchmal in gewisser Weise als vorteilhaft. Und außerdem mochte er Kenny’s Lokal, weil man andere dort so gut belauschen konnte. Eine besondere Vorliebe hatte Haere für Psychogeschwätz, und davon konnte man abends nach zehn bei Kenny’s eine Menge hören, wenn die Gruppentherapeuten ihre Sitzungen beendet hatten.
»Sie wollten also wissen, was Replogle wußte«, sagte Veatch.
»Wer?«
»Das FBI.«
»Ich glaube, die wissen schon, was er wußte«, sagte Haere. »Ich vermute, daß sie versuchen, den Deckel wieder fest zuzumachen und sicherzustellen, daß kein anderer es erfährt.«
Louise Veatch sah ihren Mann an. »Draper hat recht.«
Veatch nickte. »Vielleicht.«
»Die Frage ist«, sagte Haere, »was du in der Sache unternehmen willst.«
Die Veatchs blickten sich weiter fest an. Sie waren ein ungewöhnliches politisches Paar. Haere dachte oft: sogar bemerkenswert. Louise hatte sich den strahlenden Glanz einer Schönheitskönigin erhalten: immer noch eine blauäugige, schwarzhaarige Cajun-Schöne mit einer gewissen Wildheit. Veatch selbst war ein großer, hagerer, kantiger, blonder Mann mit berechnenden grauen Augen, einem einnehmenden Lächeln und der perfekten politischen Persönlichkeit, die es ihm sein Leben lang möglich gemacht hatte, an Bushaltestellen mit völlig Fremden ins Gespräch zu kommen. Sie war nach Haeres Meinung klüger, aber Veatch war gerissener. In ihrem Ehrgeiz standen sie sich in nichts nach, und der war grenzenlos. Sie brütete oft über Problemen, während er sich voller Optimismus schlafen legte, um noch optimistischer aufzuwachen. Sie besaß unerschütterliche Überzeugungen, während ihr Mann sich lediglich mit gewissen Prinzipien begnügen mußte. Sie waren Kollegen, sogar Freunde, aber selten Liebende. Für Baldwin Veatch war Sex etwas, das ihm gelegentlich einfiel. Für Louise Veatch war es ein primärer Lebensinhalt, und das war der Grund, weshalb sie vor so langer Zeit in Draper Haeres Bett gesprungen war.
Draper Haere hatte sich nicht ein einziges Mal dazu durchgerungen, Louise Veatch aufzufordern, ihren Mann zu verlassen. Nicht, weil Haere sie nicht liebte. Er liebte sie verzweifelt. Manchmal, wenn sie einen Monat lang getrennt gewesen waren und er in ein Zimmer kam, in dem sie sich aufhielt, widerfuhr ihm etwas Merkwürdiges. Etwas Pubertäres. Er war vorübergehend unfähig zu sprechen. Er bekam leichtes Herzklopfen. Er schwitzte. Er befürchtete sogar, daß er rot wurde, obwohl niemals irgend jemand etwas gesagt hatte. Aber alles, was Draper Haere Louise Veatch zu bieten hatte, war Liebe, Politik und einen Raum über dem
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