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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Inhalt und fischte ein kleines Stück Fleisch heraus. Er bot Citron den Brocken an. Einen Augenblick lang zögerte Citron, ehe er das Fleisch nahm und in den Mund steckte. Er kaute langsam, sorgfältig, und schluckte dann.
    »Das ist keine Ziege«, sagte Citron.
    »Habe ich Ziege gesagt? Ich sagte Zicklein – jung und zart. Zergeht es dir nicht auf der Zunge?«
    »Das ist auch kein Zicklein.«
    Sergeant Bama blickte argwöhnisch in den Topf, fischte ein anderes kleines Stück Fleisch heraus, das in der bräunlichen Brühe schwamm, und schnüffelte daran. »Schwein vielleicht?« Er hielt Citron das Stück hin. »Wenn es Schwein ist, brauchst du nicht mit den Sudanesen zu teilen; die sind Mohammedaner.«
    Citron nahm das Fleisch und kaute es. »Das ist kein Schwein. An Schwein erinnere ich mich.«
    »Und das hier?«
    »Das hier ist süß und zäh und faserig.«
    Sergeant Bama kicherte. »Natürlich. Wie dumm von mir.« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn – eine theatralische Geste. »Das kann nur Affe sein. Eine seltene Delikatesse. Süß, hast du gesagt. Affe schmeckt süß. Es gibt nichts Süßeres für die Zunge als frischer junger Affe.«
    »Ich habe noch nie Affenfleisch probiert.«
    »Nun ja, jetzt hast du.« Der Sergeant lächelte selbstzufrieden und sah sich um. Die anderen Gefangenen kauerten oder hockten im Schatten, keiner näher als sechs Meter, und warteten auf den Ausgang des Handels. Als der Sergeant sich wieder Citron zuwandte, war der finstere Ausdruck wieder da, und seine Stimme hatte einen neuen, schroffen, eindringlichen Klang. »Ich muß die Uhr haben«, sagte er.
    »Nein«, sagte Citron. »Dafür nicht.«
    Sergeant Bama nickte unbeeindruckt und blinzelte in die heiße Ferne. »Heute nachmittag um 15 Uhr kommt ein Besucher«, sagte er. »Eine schwarze Frau aus England, die eine hohe Funktion in einer Gefangenenorganisation mit einem seltenen Namen hat.«
    »Du lügst natürlich«, sagte Citron und wischte sich mit dem Handrücken einen dünnen Fettfilm vom Mund.
    Sergeant Bama sah ihn an und zuckte mit den Achseln. »Glaub, was du willst, aber sie wird um fünfzehn Uhr hier sein, um das andere ausländische Gesindel zu interviewen. Es ist alles vorbereitet. Du wirst natürlich in den Isolationsblock verlegt und deshalb die schwarze Engländerin nicht zu sehen bekommen. Wie schade. Man hat mir gesagt, daß sie wundervoll anzusehen ist. Natürlich …« Das unausgesprochene Angebot ging in einem kunstvollen afro-gallischen Achselzucken verloren.
    »Die Uhr«, sagte Citron, der jetzt verstand.
    »Die Uhr.«
    Citron musterte Sergeant Bama einige Sekunden lang. Über die linke Schulter des Sergeanten hinweg konnte er den Soldaten mit einem großen Topf Reis kommen sehen. »Also gut«, sagte Citron, »du kriegst die Uhr, aber erst nachdem ich die schwarze Engländerin gesehen habe.«
    Er war überrascht, als der Sergeant mit nur einem einzigen Wort zustimmte: »Gut.« Sergeant Bama richtete sich auf und wandte sich den anderen Gefangenen zu. »Kommt essen«, rief er in einer Sprache, die fast wie Englisch klang, und fügte in raschem Französisch, dem nicht alle folgen konnten, hinzu: »Wir wollen, daß ihr alle fett und glatt seid, wenn die schwarze Engländerin zu Besuch kommt.«
    Die Gefangenen erhoben sich und kamen im Gänsemarsch an den Töpfen mit Fleisch und Reis vorbeimarschiert. Der Sergeant herrschte über das Fleisch, der Soldat über den Reis. Der Sergeant teilte mit einer Kelle aus Flaschenkürbis das Fleisch in die Plastikschalen der Gefangenen aus.
    »Was ist das für ein Scheiß?« fragte der junge Mormonenmissionar.
    »Affe«, antwortete Citron.
    »Oh«, sagte der Mormone und zog sich mit seinem Essen schnell in den Schatten zurück, wo er sich hinsetzte und mit den Fingern aß.
     
    Miss Cecily Tettah, die bei der Londoner Zentrale von Amnesty International arbeitete, war auf einer großen Plantage in Ghana unmittelbar außerhalb von Accra geboren worden. Das war vor zweiundvierzig Jahren gewesen, als Ghana noch Goldküste genannt wurde. Nach dem Krieg war sie von ihrem kakaoreichen Vater zur Ausbildung nach London geschickt worden. Sie war nicht mehr nach Ghana zurückgekehrt, hatte nie geheiratet, und wenn sie danach gefragt wurde, beschrieb sie sich mit ihrem vortrefflichen britischen Akzent in der Regel selbst als ledige Lady oder als alte Jungfer. Viele hielten sie für hoffnungslos altmodisch. Die wenigen Männer, die im Lauf der Jahre das Glück gehabt hatten, den Weg in

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