Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
Jahren mit Taxifahrern in Denver zwei recht unerfreuliche Erfahrungen gemacht hatte, sah er sich den Mann hinter dem Steuer an der Spitze der Taxireihe genau an und war beruhigt, als er entdeckte, daß es ein Mexikaner und anscheinend ein sehr fröhlicher Bursche war.
    Vor zwei Jahren, als Haere sich an Denvers Stapleton Airport ein Taxi genommen hatte, erwies der Fahrer sich als ein ehemaliger, davongejagter stellvertretender Gouverneur von Louisiana, der angefangen hatte zu trinken, sich jetzt aber auf dem steinigen Weg der Besserung befand, wie er es nannte, und Haere alles davon erzählen wollte. Das zweite Mal, fast ein Jahr später, war der Taxifahrer ein ehemaliger Sekretär der Transportarbeitergewerkschaft aus St. Louis gewesen, der erwischt worden war, als er in die Kasse griff. Der frühere Sekretär nahm es philosophisch. »Zum Teufel, was soll’s, Draper«, sagte er. »Ich hab was riskiert und bin geschnappt worden.« Manchmal fragte Haere sich, ob Taxifahren in Denver eine mystische stärkende Erfahrung wäre, die den Gefallenen irgendwie half, wieder auf den Hocker der Erlösung zu klettern.
    Ehe Haere nach Denver geflogen war, hatte er in New York im Pierre Station gemacht, um mit einem Mann zu sprechen, der mit dem Gedanken spielte, für die Präsidentschaft zu kandidieren – vorausgesetzt, es kostete nicht zuviel – und vorausgesetzt, seine Mutter gab ihm die Erlaubnis. Aber als der Mann, der Präsident werden wollte, unfähig zu sein schien, zu einem Entschluß zu kommen, traf Haere eine Verabredung mit der Mutter.
    Sie trafen sich zum Tee im Plaza. Oder besser gesagt, sie trank einen Wodka-Martini, und Haere trank Tee. Es dauerte nur fünf Minuten, vielleicht auch nur vier, bis sie darin übereinstimmten, daß der dreiundvierzigjährige Sonny noch nicht ganz soweit war, daß er Präsident werden konnte, zumindest nicht 1984 und wahrscheinlich auch 1988 noch nicht. Danach verbrachten sie noch etwa eine weitere angenehme halbe Stunde miteinander und sprachen über Politik.
    Haere entdeckte, daß sie einen dieser schockierend brillanten politischen Köpfe besaß, die manchmal in Gegenden wie Texas und Wisconsin oder sogar Nebraska (Norris kam ihm in den Sinn) gediehen, aber nur selten in New York und so gut wie nie in Kalifornien. Sie stammte aus Westvirginia und hatte Stahl geheiratet. Viel Stahl. Als Haere ihr sagte, es sei zu schade, daß sie selbst sich nicht um die Präsidentschaft bewerben könnte, hatte sie, mehr als nur etwas geschmeichelt, gelächelt. Haere machte sich nicht die Mühe, Sonny anzurufen, der, wie er überzeugt war, die schlechte Nachricht wahrscheinlich von Mommy erhalten würde.
    Wenn der mexikanische Fahrer in Denver nicht über irgendein nettes Geheimnis lächelte, summte er vor sich hin und schien der Meinung zu sein, daß eine Unterhaltung überflüssig sei. Und während der Fahrer summte, starrte Haere aus dem Taxifenster und dachte an das Denver seiner Kindheit und frühen Jugend, als es eine stille, schläfrige und merkwürdig grüne Stadt gewesen war, die sich damit abgefunden hatte, am Fuß der Rocky Mountains unter dem vereinigten Daumen der Banken und von Colorado Fuel and Iron und Great Western Sugar zu liegen. Damals, erinnerte sich Haere, kamen Schwindsüchtige aus dem Osten noch wegen der Luft nach Denver. Jetzt kam niemand mehr wegen der Luft. Wer saubere Luft haben wollte, blieb in Pittsburgh.
    Wie immer freute sich Haere, als er sah, daß mit dem Brown Palace Hotel in den vergangenen rund neunzig Jahren nicht viel geschehen war – außer dem neuen Westflügel, der in den sechziger Jahren hinzugekommen war. Natürlich hatten die Zimmerpreise sich geändert, und Haere fühlte sich jedesmal unbehaglich, wenn er 100 oder 125 oder 150 Dollar pro Nacht für ein Zimmer bezahlte. Aber Haere war einer von denen, die immer noch die Preise von allem und jedem damit verglichen, was sie damals in dem wirtschaftliche Maßstäbe setzenden Jahr 1965 bezahlt hatten – eine törichte Angewohnheit, die er nicht ablegen konnte und oft äußerst deprimierend fand.
    Im Brown Palace hatte sogar ein Page Dienst, ein älterer, der Haere in sein Zimmer hinaufbrachte und die fünf Dollar Trinkgeld mit höflichem Dank annahm. Zwanzig Sekunden, nachdem der Page verschwunden war, klingelte das Telefon. Haere wußte, daß es der Kandidat sein mußte. Es konnte niemand sonst sein.
    Der Kandidat war de facto der einundvierzig Jahre alte, designierte Gouverneur von Kalifornien, der aus

Weitere Kostenlose Bücher