Teufels Küche
ihre Betrachtung des mondbeschienenen Ozeans wieder auf. »Das klingt sicher nach einer dieser makabren Geschichten von Dekadenz und Inzest des Südens, was?«
»So was soll vorkommen.«
»Hast du jemals mit deiner Schwester oder deiner Mama ins Bett gehen wollen?«
Citron lächelte. »Mit meiner Mutter ganz bestimmt nicht. Eine Schwester hab ich nie gehabt, darum kann ich es dir wirklich nicht sagen.«
»Aber du kannst es dir doch vorstellen?«
»Gewiß. Das ist wirklich nicht schwer.«
»Na ja, Papa konnte es nicht. Er sprach von da an nicht mehr mit mir, packte meinen ganzen Kram zusammen und schickte mich hierher. Hin und wieder rufe ich Mama mal an, oder sie ruft mich an und sagt mir, daß er stur geblieben ist – Papa, meine ich.«
»Willst du, daß ich mit ihm spreche?«
Sie kaute auf ihrer Unterlippe, ehe sie antwortete. »Ich – ich wäre dir dankbar.«
»Und was soll ich ihm sagen?«
»Erzähl ihm einfach nur, was passiert ist und daß mir nichts fehlt, aber daß ich denke, er sollte über diese beiden Kidnapper, oder was sie sonst waren, Bescheid wissen.«
Das Rufzeichen in Miami ertönte sechsmal, ehe sich jemand mit einem »Allo« meldete. Es war eine männliche Stimme.
»Ich möchte bitte mit Mr. Keats sprechen.«
»Je ne comprends pas.«
Citron ging zum Französischen über. »Ich möchte Mr. Keats sprechen. Mein Name ist Citron.«
»Ah, Citron. Sind Sie Franzose?«
»Ist Mr. Keats da?«
»Sie sprechen sehr gut Französisch. Sind Sie aus Paris?«
»Sagen Sie ihm nur, ich möchte mit ihm über seine Tochter sprechen.«
Eine tiefere Stimme dröhnte in der Leitung: »Was ist mit meiner Tochter, Mister?«
»Sind Sie Mr. Keats?«
»Ich bin Keats. Geh aus der Scheißleitung, Jacques.«
Citron konnte das Knacken hören, als der Nebenapparat eingehängt wurde.
»Mein Name ist Citron.«
»Das habe ich alles gehört. Ich kann gerade ein paar Wörter parlez-vous sprechen, aber es ist beschissen viel schwerer als Spanisch. Verdammt, jeder kann lernen habla español, aber man muß ganz oben sprechen, ganz vorn im Mund und richtig schnell die Zunge bewegen beim parlez-vous- Französisch. Also, was soll das heißen, daß jemand behauptet, sie wäre meine Tochter?«
»Velveta Keats.«
»Nie von ihr gehört.«
»Dann muß ich eine falsche Verbindung haben.«
»Nein, Sie haben die richtige Verbindung. Reden Sie doch schon, Mann, und erzählen Sie mir was von dieser Tochter, die ich angeblich haben soll.«
Citron konnte im Hintergrund die Stimme einer Frau hören. Und dann schrie Keats sie an. »Gottverdammt noch mal, Francine, ich werde schon rausfinden, was da los ist. Ich mach das so, wie ich will.« Keats nahm wieder seinen grollenden Konversationston an. »Jetzt packen Sie endlich mal aus, was Sie zu erzählen haben, Mr. – wie war das noch?«
»Citron. Morgan Citron.«
»Citron. Das ist französisch für Zitrone, stimmt’s?«
»Richtig.«
»Okay. Schießen Sie los.«
»Ich bin ein Freund und Nachbar Ihrer Tochter –«
»Wo?«
»In Malibu.«
»Wie ist die Adresse?«
Citron rasselte die fünfstellige Hausnummer am Pacific Coast Highway herunter.
»Okay. Das stimmt. Von welchem Anschluß rufen Sie an?«
Citron las Velveta Keats’ Nummer ab.
»Hängen Sie ein. Ich rufe zurück. Und sorgen Sie dafür, daß Sie es sind, der ans Telefon geht.«
Die Leitung war tot. Citron hängte ein und sah Velveta an. »Er hat gesagt, er will zurückrufen.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Papa ist irgendwie ziemlich mißtrauisch oder so was.«
Einen Augenblick später klingelte das Telefon. Citron nahm den Hörer ab und meldete sich mit Hallo.
»Okay, Kumpel, lassen Sie hören.«
»Wie ich schon sagte, Mr. Keats, ich bin ein Freund und Nachbar Ihrer Tochter.«
»Und weiter?«
»Gestern abend hatte sie mich zum Essen eingeladen. Um sieben Uhr. Ich klopfte an ihre Tür. Niemand antwortete. Die Tür war nicht verschlossen, darum ging ich hinein. Zwei Männer in Taucheranzügen hielten Velveta fest. Ich habe etwas auf die beiden geworfen.«
»Was?«
»Blumen.«
»Sie meinen so was wie Stiefmütterchen oder so ähnlich?«
»Es waren Nelken.«
»Sie müssen Kleister im Gehirn haben, Bruder.«
»Vielleicht haben Sie recht. Jedenfalls zog einer eine Pistole.«
»Und hat sie erschossen?«
»Nein.«
»Was denn?«
»Sie verschwanden. Velveta hat einen Balkon zum Strand. Sie sprangen über die Brüstung, rannten in die Brandung hinaus und schwammen zu einem kleinen
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