Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
schloss Brandt. »Immerhin waren Sie ja außer Atem und hatten Rauch abbekommen.«
»Mag sein. Aber ich bin gerannt wie der Teufel.«
»Rechnen wir also für den Löschversuch und den Rückweg insgesamt zwei Minuten?«, fragte Julia.
»Nein, weniger«, beharrte Manstein und wollte ausladend abwinken, was ihm ein schmerzverzerrtes Gesicht einbrachte. »Ich habe einfach draufgehalten, das waren nur Sekunden. Hinterher hab ich gedacht, man soll besser stoßweise sprühen, aber in so einer Extremsituation schaltet das Gehirn wohl einfach ab.«
»Das ist aber doch alles relativ präzise«, nickte Julia. »Ich komme auf etwa drei Minuten bis zum Anruf, wenn wir von einem schnellen Ablauf ohne Pausen ausgehen.«
»Pausen?«, wiederholte Manstein gereizt. »Glauben Sie denn, ich hätte mir unterwegs ein Nickerchen gegönnt?«
»Nein, doch es gibt Zeiträume, in denen ein Mensch unentschieden ist, verharrt oder auch kurzzeitig handlungsunfähig ist. Diese Momente kann man hinterher nicht mehr benennen, aber es könnte zum Beispiel sein, dass Sie zwischen dem Absetzen des Feuerlöschers und dem Rückweg zum Auto einige Sekunden fassungslos dagestanden haben. Eine völlig normale psychische Reaktion.«
»Von Psychokram halte ich nichts.« Manstein schüttelte heftig den Kopf. »Und ich habe garantiert nicht tatenlos in die Flammen gestarrt. Auto, Handy, dort dann nach dem Anruf die Jacke gegriffen und zurückgeeilt. Ich wollte die Flammen ausschlagen, hatte daran gedacht, runter ans Wasser zu gehen und sie nass zu machen und solchen Kram. Aber ich war mit Sicherheit nicht untätig.«
»Herr Manstein, das war keineswegs ein Vorwurf«, schaltete Brandt sich ins Gespräch. »Sie haben uns weitergeholfen, vielen Dank. Möglicherweise kontaktieren wir Sie im Verlauf der Ermittlungen noch einmal.«
»Hm, meinetwegen.«
»Herr Manstein, hier ist meine Karte, falls Ihnen noch etwas einfällt«, sagte Julia Durant und legte eine ihrer Visitenkarten auf die Tischfläche des Rollwagens neben dem Bett. »Und obwohl Sie das in diesem Moment vielleicht als unnötig empfinden, sollten Sie sich überlegen, ob Sie mit jemandem über Ihr Erlebnis sprechen möchten. Jemand Professionelles, meine ich.«
»Ein Seelenklempner?«, rief Manstein spöttisch. »Wieso das denn?«
»Immerhin haben Sie heute jemanden grausam sterben sehen«, warf Brandt ein.
»Wieso? Ich dachte, er war längst tot?« Manstein klang irritiert.
»Wer hat das gesagt?«
»Na, einer der Feuerwehrleute, glaube ich«, erwiderte er schnell. »Aber da wurde so viel durcheinandergeredet, ich kann es jetzt nicht beschwören. Kann auch ein Sanitäter gewesen sein.«
»Tot oder nicht«, schloss Julia Durant das Gespräch, »es liegt jedenfalls ein traumatisches Erlebnis vor, und glauben Sie mir, diese Bilder kommen wieder. Man kann es verdrängen oder versuchen zu bearbeiten, deshalb mein Rat, es mit Letzterem zu versuchen.«
»Mal sehen. Was ist denn jetzt mit meinem Auto?«
»Haben Sie den Schlüssel?«, erkundigte sich Brandt.
»Nein, ich habe ihn einem Ihrer Kollegen gegeben, als klarwurde, dass ich mit ins Krankenhaus fahren muss.«
»Dann werde ich veranlassen, dass man Sie anruft«, versicherte Brandt ihm. »Ihr Handy haben Sie hier?«
»Ja, und sogar mit vollem Akku. Aber verraten Sie es nicht der Schwester«, grinste Manstein.
Dann verabschiedeten sie sich, und die beiden Kommissare verließen die Klinik.
Sonntag, 11:20 Uhr
P olizeipräsidium Frankfurt.
Kommissariatsleiter Berger rieb sich angestrengt die Schläfen. Er saß zurückgelehnt in seinem orthopädischen Sessel, den er seit einem schweren Bandscheibenvorfall sein Eigen nannte, und ließ den Blick durch das unpersönlich eingerichtete Büro wandern.
»Bitte nur die Kurzfassung«, seufzte er in Durants Richtung, die neben dem mannshohen Gummibaum in einem Stuhl saß und den dritten Becher Kaffee dieses Vormittags in Händen hielt. »Mein Kopf explodiert gleich, ich weiß nicht, woher das schon wieder kommt.«
»Ich habe Ihnen am Telefon gesagt, Sie können zu Hause bleiben«, betonte die Kommissarin. »Solange wir keine Ergebnisse haben …«
»Jetzt bin ich aber nun mal hier!«, unterbrach ihr Chef sie unwirsch. »Zu Hause herumhängen kann ich noch früh genug.«
Daher wehte also der Wind. Berger steuerte zielstrebig auf Mitte sechzig zu, und die Pensionierung zeichnete sich schon recht deutlich am Horizont ab. Angeblich war in zwei Jahren Schluss, Berger ließ sich da nicht in die Karten
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