Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
sehen, aber rechnerisch durfte man von 2014 ausgehen.
»Erklären Sie mir lieber, wieso noch keiner Ihrer Kollegen hier ist«, fuhr Berger fort und klang nun wesentlich entspannter.
»Wie gesagt, es liegen noch keine Ergebnisse vor, daher habe ich Frank nicht zur Eile angetrieben«, erklärte Julia. »Außerdem bleibt ja noch zu klären, welches Präsidium den Fall nun übernehmen soll. Die Spurensicherung und Rechtsmedizin laufen auch ohne uns. Nur die Ergebnisse müssen dann irgendwohin kommuniziert werden, vorerst habe ich mit Brandt vereinbart, dass wir beide benachrichtigt werden oder uns gegebenenfalls austauschen.«
»Das ist wirklich eine etwas vertrackte Situation«, murmelte Berger. »Können Sie mir das noch mal Schritt für Schritt erklären? Ich habe am Telefon kaum die Hälfte verstanden. Der Motorradfahrer kommt aus Offenbach und steht auf der Frankfurter Seite der Brücke? Oder wie war das jetzt?«
»Nein, nicht ganz. Der Motorradfahrer war unterwegs in südlicher Richtung, seine Maschine steht im letzten Drittel der Brücke auf dem Standstreifen. Angekettet wurde das Motorrad an der Leitplanke, und seine Hände wurden zudem mit Handschellen an den Lenker fixiert. Offenbar hat ihn jemand mit Benzin übergossen und angezündet. Das Kennzeichen ist aus Offenbach, aber nicht registriert. Einer anonymen Meldung zufolge wurden zur angenommenen Tatzeit verdächtige Personen und ein Lieferwagen am südlichen Aufgang der Brücke gesehen, mehr gibt die Meldung leider nicht her.«
»Hm. Die Autobahn ist unser Revier, ganz klar«, sagte Berger. »Ich möchte einen derart spektakulären Fall auch ungern den Offenbachern überlassen, dies behalten Sie aber bitte für sich.«
»Schon klar.«
»Es ist mein Ernst, ich möchte nicht, dass dieser Brandt oder sein Chef den Eindruck bekommen, als würden wir ihnen das nicht zutrauen. Zumal sie sich darauf berufen können, dass das Verbrechen von der Offenbacher Seite her verübt wurde und auch das Opfer wohl daher stammte. Bernhard Spitzer, Brandts Vorgesetzter, ist auch so ein alter Haudegen, na, Sie kennen ihn ja.«
Julia Durant erinnerte sich, es war schon ein wenig her, aber Berger hatte recht. Sie musste unwillkürlich schmunzeln.
»Ein alter Haudegen wie wer?«, fragte sie schelmisch.
»Werden Sie bloß nicht unverschämt«, lächelte Berger schief. »Aber mal im Ernst, und auch das müssen Sie den Kollegen dort nicht auf die Nase binden: Die Offenbacher sind eine gute Truppe und haben eine Quote, die sich sehen lassen kann. Wir müssen heute noch keine Entscheidung treffen, wie es weitergeht, aber holen Sie sich Hellmer dazu und bleiben Sie an den Ergebnissen dran. Ich kümmere mich morgen früh um die Zuständigkeiten, schließe mich außerdem mit der Staatsanwaltschaft kurz und halte die Bürokraten außen vor. Wir dürfen uns da auch nichts vormachen. Es hat wahrlich nicht nur Vorteile, wenn zwei Teams sich auf denselben Fall stürzen. Erstens gibt es Rivalität, zweitens wird die Kommunikation verlangsamt, und drittens wird sich die Öffentlichkeit auf diese Geschichte stürzen. Im Radio kam schon was, und ich freue mich jetzt schon auf die wilden Spekulationen im Internet.«
»Spekuliert haben wir auch schon ein wenig«, nickte Julia, »aber rausgekommen ist noch nicht viel.« Sie nippte an ihrem Kaffee, der nicht nur kalt geworden war, sondern auch scheußlich schmeckte. Sie überlegte kurz, ob sie den Rest des Bechers in den Topf des Ficus entleeren sollte, doch Bergers Blick war fragend auf sie gerichtet und schien auf eine weiterführende Erklärung zu warten.
»Na, dann erzählen Sie mal Ihre Theorien«, forderte er mit einer entsprechenden Handbewegung.
»Es ist reine Spekulation. Eher Gedankenspiele.«
»Mir egal. Besser von Ihnen als von irgendwelchen Hobbydetektiven.«
»Okay, erstens: Wie steht es um die hiesigen Motorradclubs? In Sachen Bandenkriminalität bin ich nicht auf dem neuesten Stand, aber ich hatte den Eindruck, es wäre etwas ruhiger geworden.«
»Wie man’s nimmt«, sagte Berger. »Gibt es Hinweise auf eine Zugehörigkeit des Toten zu einem der einschlägigen Clubs?«
»Bis jetzt noch nicht. Aber der Gedanke liegt nahe, denn für eine derart gestellte Szenerie braucht es ein hohes Maß an Organisation und mindestens zwei Leute. Eher mehr, denke ich. Inszenierung ist überhaupt ein Begriff, der sich dafür aufdrängt. Die Täter müssen gewusst haben, wann und wo sich ihr Opfer aufhält.«
»Oder er wurde dort nur
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