Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
höre mir gerne auch deine Version an. Du warst immerhin live dabei, sozusagen, aber ich erwarte die absolute Wahrheit.«
»Schon klar. Ich will’s auch nicht zweimal erzählen müssen.« Michael räusperte sich. »Es war abgemacht, dass ich reingehe, in die Kasse greife und … na, eben dass ich das Mädchen rannehmen soll. Aber ich schwöre bei Gott, dass ich ihr nichts getan habe, jedenfalls nicht das. «
»Hm. Was hast du stattdessen getan?«
»Ich habe sie vor mir liegen sehen, da unten auf dem Boden, und sie war so hilflos und irgendwie panisch. Wer macht denn so was, ich könnte das überhaupt nicht, mir wurde plötzlich kotzübel, und ich hätte nicht im Traum daran denken können, sie in diesem Moment anzugrapschen. Zum Glück hatte ich kein Viagra intus, das wollte Lutz mir nämlich andrehen. Er hat gesagt, das habe bei ihm auch geholfen. Ich bin heilfroh, dass er nicht mit drinnen war, wer weiß, was noch passiert wäre.«
»Warum bist du mit dieser Geschichte denn ausgerechnet jetzt zu deinen Eltern gegangen?« Julia wies mit dem Finger schräg in Richtung des Korkbodens, dorthin, wo sie Berger und die Cramers im Erdgeschoss vermutete.
»Ich hab was Dummes gemacht, aber im Nachhinein betrachtet war es wohl ganz gut so«, erklärte Michael. »Lutz wurde ungeduldig, da bin ich schnell nach draußen. Vorher habe ich aber noch in einem schwachen Moment mein Messer dagelassen. Um ehrlich zu sein, hat mir das eine riesige Panik verursacht, als mir bewusst wurde, dass es übersät mit meiner DNA oder Fingerabdrücken sein musste. Ich besitze das Messer ja schon, seit ich vierzehn bin.«
»DNA und Fingerabdrücke erweisen sich aber nur als dienlich, wenn Vergleichsmuster vorliegen«, warf die Kommissarin ein. »Gibt es denn so etwas von dir?«
»Hm.« Michael blickte zu Boden. »Zählen Verkehrskontrollen?«
»Nein.«
»Auch nicht mit Blutprobe?«
»Ähm, auch nicht.«
»Aber falls ein Gegenstand auftaucht mit einer Vergleichsspur, dann schon, richtig?«
»Hm. Spielst du auf etwas Bestimmtes an?«
»Ja. Aber ich bin mir nicht sicher, wie Sie darauf reagieren werden.«
»Das Risiko musst du wohl eingehen«, sagte Julia mit geneigtem Kopf. Ihre schulterlangen Haare fielen nach vorn, und sie schüttelte sie wieder nach hinten. »Jetzt aber los. Meine Couch wartet. Bringen wir das mal hinter uns.«
»Nun, es geht um die Schießerei«, begann Michael Cramer bedächtig und schilderte den Abend von Grabowskis Tod, beginnend mit der Abfahrt in Lutz’ Calibra, bis hin zu ihrer Begegnung in dem einsamen Wendehammer.
»Es war alles glasklar zwischen uns. Rankommen lassen, Knarre raus und ein paar Schüsse in die Brust«, schloss er. »Bei Lutz klingt das alles so einfach, aber verdammt, das ist etwas anderes, als auf Verkehrsschilder zu ballern. Mir wäre fast das Herz stehengeblieben, als ich abgedrückt hatte. Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist: Ich habe in die Luft gezielt. Mein Arm wurde von der Wucht noch weiter nach hinten gerissen, ich bin getaumelt, und vor mir ging der Typ zu Boden. Als Nächstes erinnere ich mich, dass Lutz mich von der Seite angemacht hat mit irgendeinem coolen Spruch. Völlig unpassend, aber da bin ich endlich aufgewacht. Ich bin losgerannt, querfeldein durch die Büsche, ein paarmal hingefallen, aber immer weiter. Bloß weg. Dieser ganze Scheiß von wegen Gemeinschaft und ›etwas für die Gruppe tun‹ war mir plötzlich so was von egal. Ich bin erst wieder zum Stehen gekommen, als ich auf der alten Rampe war. Die frühere Ausfahrt von Bonames, bevor das Industriegebiet gebaut wurde. Ist völlig zugewuchert, da kommt keiner hin. Ich hatte eine Heidenangst, dass Lutz mich suchen würde. Keine Ahnung, wie lange ich mich da aufgehalten habe, jedenfalls muss es eine ganze Weile gewesen sein, denn ich hatte am Ende allen Tabak aufgeraucht, und mein Herzschlag war wieder unter hundert. Dann bin ich quer durch die Stadt zurück in die Bude, um mir neue Klamotten zu holen. Seitdem hab ich mich da nicht mehr blicken lassen.«
»Noch mal, bitte. Eine Bude in der Stadt?«
»Ja, eine Art WG in Offenbach. Nicht offiziell, ich hab da ein paar Sachen rumfliegen, wenn mir hier die Luft zu stickig wird. Kumpels sind Mieter, und ich gebe denen einen Anteil in bar.«
»Deine Eltern wissen wohl nichts davon, schätze ich?«
»Um Gottes willen, bloß nicht. Aber das ist jetzt wohl unvermeidlich.«
»Abwarten.« Julia wippte mit der Hand. »Was ist mit der Waffe geschehen? Ich
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