Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
vermischt, etwas, was Brandt überhaupt nicht mochte. Doch die Zeit war knapp bemessen, auf die Staatsanwältin wartete ein abendliches Symposium, und für den Kommissar galt es, die Ergebnisse der Ermittlungen auszuwerten.
»Soll ich später zu dir kommen?«, hatte Elvira ins Telefon gewispert, kurz bevor sie das Gespräch unterbrechen musste, denn sie stand bereits inmitten von Kollegen und konnte kaum mehr ihr eigenes Wort verstehen.
»Ich würde liebend gerne ja sagen, aber um ehrlich zu sein, ich wäre dir heute wohl keine gute Gesellschaft«, hatte Brandt geantwortet. »Auf mich wartet ein Stapel Papier, ein Dutzend Mails, und ich muss mich für morgen vorbereiten. Zwei Morde«, seufzte er, »du weißt ja.«
»Du Armer. Aber morgen dann, und wenn ich dich mit einer dienstlichen Ausrede aus Spitzers oder Durants Fängen zu mir zitieren muss«, lachte sie. Dann verabschiedeten sie sich, und Brandt setzte Nudelwasser auf, welches er großzügig salzte, danach verschwand er im Bad und schlüpfte nach einer regenerierenden Dusche in bequeme Kleidung. Er wechselte einige Worte mit Michelle, die sich den Rest des Abends mit Fachbüchern vertreiben wollte, ein Unterfangen, welches ihr Vater um keinen Preis behindern wollte.
»Darf ich mir deinen Laptop borgen?«, hatte er im Hinausgehen gefragt. »Dann kann ich mich langmachen, ich möchte nur ein wenig googlen, wie man so schön sagt. Kein Herumschnüffeln, Indianerehrenwort, aber ich habe einfach keine Lust, mich vor den lahmen PC zu hocken.«
»Schon gut, du hättest ihn auch so bekommen«, lächelte Michelle. »Ich hatte zwar später vor, mit Sarah zu skypen, aber das war ohnehin nicht ganz sicher.«
»Danke, du bist ein Schatz. Möchtest du wirklich nichts essen?«
»Glitschige Nudeln? Nein danke«, lachte Michelle und verzog das Gesicht.
»Nudeln müssen glitschig sein, sonst saugen sie die ganze Soße auf«, konterte Brandt.
»So ein Quatsch, das lass mal bloß nicht Oma hören!«
»Na gut, dann ess ich allein. Ich hätte auch lieber etwas bei deinen Großeltern schmarotzt, aber dafür bleibt mir leider keine Zeit.«
»Viel zu tun?«
»Hm.«
Michelle stand von ihrem blauen Gymnastikball auf, den sie gelegentlich als Sitzgelegenheit zum Arbeiten nutzte, und kam zu ihrem Vater. Sie umarmte ihn kurz, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und deutete dann auf das silberne Notebook, welches neben ihr auf einem niedrigen Tisch lag.
»Bedien dich, Papa, und Kopf hoch. Soll ich für dich nach den Nudeln sehen?«
»Nein, ich will dich nicht vom Lernen abhalten«, hatte Peter Brandt augenzwinkernd erwidert und sich den Laptop gegriffen.
Die Ausdrucke der E-Mails hatte der Kommissar sich noch im Büro erstellt, ebenso einige Nachrichten abgehört und kurze Rückrufe geführt. Die einzige Nachricht, die er unbeantwortet gelassen hatte, war eine kryptische Mitteilung von Dieter Greulich, dass er noch an diesem Abend angerufen werden wolle. Aber er betonte dabei explizit, dass Brandt dies von zu Hause aus tun solle. Es widerstrebte dem Kommissar zwar, sich von dem unliebsamen Exkollegen etwas vorschreiben zu lassen, aber er wird wohl seine Gründe haben, dachte er dann.
Die anderen Meldungen des Tages waren größtenteils ernüchternd. Die Mitglieder der Mogin Outlaws gaben sich gegenseitig Alibis, beriefen sich allesamt darauf, im Club gewesen und nichts gesehen oder gehört zu haben. Ohne es zu artikulieren, hatten sie den Ermittlern unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass man sich im Club selbst um Aufklärung und Vergeltung kümmern würde, wenn die Zeit dazu gekommen sei. Bullen brauche man dafür nicht.
Außerdem studierte Brandt die Obduktionsberichte von Kohlberger und Grabowski, die jedoch nichts Unerwartetes enthielten. Kohlberger war bei lebendigem Leib verbrannt, Grabowski durch ein Geschoss, welches das Herz gestreift und sich in die Lunge gebohrt hatte, gestorben. Das 9-mm-Projektil war aus nächster Nähe abgefeuert worden, hatte die Kleidung durchdrungen und war zwischen zwei Rippen hindurch in den Brustkorb gelangt. Dabei hatte es – vermutlich durch den Kontakt zur oberen Rippe – exzentrische Schwingungen aufgebaut und das innen liegende Gewebe förmlich zerfetzt. Trotz Andreas kühlen und sachlichen Formulierungen hatte Brandt ein grauenvolles Bild vor Augen. Es bestand für ihn kein Zweifel: Grabowski war ebenfalls hingerichtet worden. Nur dass es bei ihm ein schneller, unauffälliger Tathergang gewesen war. Rache? Oder
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