Teufelsengel
Pressekonferenz.
Die Journalisten verließen den Raum. Manche unterhielten sich miteinander, andere hatten es eilig und hasteten hinaus. Die junge Frau wartete, bis alle draußen waren. Dann kam sie langsam auf Bert zu.
Romy Berner, dachte er. Ihren Namen hatte er behalten.
»Ich weiß jetzt, dass Thomas Dorau Musiker war«, sagte sie. »Aber was für ein Mensch ist er gewesen?«
Wieder gelang es ihr, Bert zu überraschen. Er sah dem Pressesprecher nach, der zum Fahrstuhl schlenderte. Ja. Diese junge Frau stellte die richtigen Fragen. Auch wenn Bert sie nicht beantworten konnte, weil er noch nicht so weit war.
»Irgendetwas hat ihn zum Opfer gemacht«, sagte er. »Aber er hat um sein Leben gekämpft.«
Romy Berner nickte. »Ich danke Ihnen.«
Sie streckte die Hand aus und verblüffte Bert ein letztes Mal mit ihrem festen Händedruck und einem forschenden Blick tief in seine Augen.
Dann ging sie hinaus. Ihr Schritt war leicht, fast beschwingt.
Bert blickte ihr nach. Er fragte sich, warum er auf einmal so beunruhigt war.
Die schwere hölzerne Flügeltür fiel krachend ins Schloss. Zornig eilte Vero über den spiegelnden roten Granitboden zum Klosterkapitel, dem offiziellen Versammlungsraum, wo ihn seine Mitbrüder bereits erwarteten. Einige standen an den Fenstern, andere saßen an dem langen, blankpolierten Tisch, die meisten waren in Gespräche vertieft.
Dieses Mädchen trieb ihn zur Weißglut! Nicht genug, dass Sally ihm seit Monaten das Leben schwer machte, nun auch noch Pia.
Würden die Prüfungen denn niemals ein Ende finden?
Vero hatte Pia in sein Büro zitiert, doch sie war zur vereinbarten Zeit nicht erschienen.
Nicht erschienen!
Er hatte nach ihr geschickt, aber sie war nicht in ihrem Zimmer gewesen.
Vero hasste es, wenn sich jemand seinem Willen widersetzte. Es brachte ihn dermaßen in Rage, dass ihm schwindlig wurde.
Ein Mädchen. Und sie bot ihm die Stirn!
Er hatte versucht, sich ins Gebet zu vertiefen, und es war ihm nach einer Weile auch gelungen, doch er hatte sich noch immer nicht in den Griff bekommen.
Unbeherrscht warf er die Unterlagen auf den Tisch und nahm auf seinem Stuhl Platz. Augenblicklich erstarb jegliches Gemurmel. Seine Mitbrüder rückten ihre Stühle zurecht, setzten sich und schauten ihn verunsichert an.
Vero faltete die Hände und senkte den Kopf. Die andern taten es ihm nach. Sie begannen jede Versammlung mit einigen Minuten innerer Einkehr.
Schließlich hob Vero den Kopf. Er räusperte sich und legte die Papiere zurecht, die er mitgebracht hatte.
»Unsere Gästezahlen sind rückläufig, und das nicht erst seit gestern. Bruder Erik? Bruder Rafael?«
Bruder Erik, zu dessen Aufgabenbereich die Organisation der Tagungen und Seminare gehörte, bekam einen roten Kopf. Bruder Rafael, der für die Anwerbung und Unterbringung von Gästen zuständig war, blinzelte alarmiert.
»Wir leben in einer … schwierigen Zeit«, ergriff Bruder Erik stotternd das Wort. »Die Menschen geben ihr Geld lieber für … absolut lebensnotwendige Dinge aus. Da werden kulturelle und religiöse Veranstaltungen als erstes … gestrichen.«
Er blickte sich hilfesuchend um.
Einzig Bruder Rafael hatte zu seinen Worten genickt. »Bruder Erik hat recht«, bestätigte er. »Sämtliche Werbeaktionen laufen momentan ins Leere. Es ist zum Verzweifeln.«
Vero kniff die Augen zusammen. Bullshit, dachte er. Wie konnten sie es wagen, ihm derart hanebüchene Ausreden vorzusetzen.
»UND WARUM MACHEN WIR DEN MENSCHEN DANN NICHT KLAR, DASS UNSERE GEMEINSCHAFT LEBENSNOTWENDIG IST?«
Bruder Erik rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Bruder Rafael kritzelte hektisch in sein Notizbuch.
Vero atmete langsam ein und aus und zählte bis zehn. Sein aufbrausendes Temperament war eine schwere Bürde. Und es konnte unangenehme Folgen haben. Es gab Brüder, die bei einem einzigen lauten Wort anfingen zu zittern wie Espenlaub.
Memmen, dachte Vero abfällig. Dabei brauchen wir mutige Krieger, um das Reich des Herrn zu verteidigen.
Doch dazu musste es erst einmal wieder aufgebaut werden.
Die Kirche war tot.
Die Christen selbst hatten sie getötet.
Es war Veros heilige Aufgabe, sie aus den Trümmern wieder auferstehen zu lassen.
Aber dafür brauchte er Hilfe.
Zu welchem Zweck hatte er seine Mitbrüder ausgewählt? Warum hatte er seine Visionen mit ihnen geteilt? Wozu waren sie nütze, wenn es ihnen nicht gelang, den wahren Glauben in die Welt hinauszutragen?
»Ich stimme dem Vater zu«, mischte
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