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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Grund mehr, weiter herumzutrödeln.
    Bert räumte die Einkäufe in den Kofferraum seines Wagens und blickte fröstelnd über den sonst so vollen Parkplatz, über den der Wind eine aufgeblähte Plastiktüte jagte.
    Er hatte sich noch nie so allein gefühlt.
    Ohne nachzudenken, zog er sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer, die vor gar nicht so langer Zeit auch seine eigene Telefonnummer gewesen war.
    »Melzig?« Margot meldete sich immer mit einem klagend fragenden Unterton in der Stimme.
    »Ich bin’s.«
    Ihre Antwort war ein beredtes Schweigen.
    »Wie geht es euch?«
    Sie antwortete nicht. Bert hörte ein Rascheln und dann die Stimme seiner Tochter.
    »Papa!«
    Bert schluckte und plinkerte das Nasse in seinen Augen weg. »Wie geht es dir, Häschen?«
    »Wann kommst du wieder nach Hause?«
    Bert holte tief und zitternd Luft. Immer wieder stellte seine  Tochter ihm diese Frage. Sie kämpfte um das verlorene Familienleben, diesen geschützten Raum, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte.
    Er beschloss, bei der Wahrheit zu bleiben. »Ich weiß es nicht, Liebes.«
    Ein Rauschen, ein Knacken, dann die Stimme seines Sohnes.
    »Hallo, Dad.«
    Wie erwachsen er klang. Und wie sehr er sich um Fassung bemühte. Das konnte leicht darüber hinwegtäuschen, dass er erst zehn Jahre alt war. Und eine panische Angst davor hatte, seinen Vater zu verlieren.
    »Alles in Ordnung bei dir, Junior?«
    Sie waren in der Vater-Sohn-Phase, in der sie sich unterhielten, als müssten sie einen Haufen Männerprobleme bewältigen und als gehe ihnen das leicht von der Hand, weil das Vertrauen zwischen ihnen groß genug war.
    »Meine Fußballschuhe lösen sich auf.«
    »Kann man sie noch reparieren?«
    »Vielleicht. Mal sehen.«
    »Sonst … wenn du neue brauchst …«
    Hektisches, verwackeltes Atmen.
    »Gib mir das Telefon wieder!« (Tochter).
    »Zieh Leine!« (Sohn).
    »Papa!« (Tochter).
    »Blöde Kuh!« (Sohn).
    Heulen (Tochter).
    »Ist jetzt endlich RUHE!« (Margot).
    Dann war die Verbindung unterbrochen.
    Bert versuchte es erneut.
    »Du stiftest nur Unruhe«, sagte Margot. »Es wäre mir lieber, wenn du nicht so oft anrufen würdest. Hinterher habe  ich jedes Mal Mühe, die Wogen wieder zu glätten. Du ahnst ja gar nicht, was hier los ist.«
    So viele Sätze hintereinander hatte Margot schon lange nicht mehr gesprochen. Nicht mehr, seit sie mit dem Streiten aufgehört hatten, weil ihnen die Luft ausgegangen war.
    »Aber ich kann mich doch nicht …«
    Sie hatten vereinbart, dass Bert die Kinder jedes zweite Wochenende sehen durfte. Aber es reichte nicht. Er ging vor die Hunde, wenn er nicht wenigstens ab und zu ihre Stimmen hörte.
    »… in Luft auflösen. Ich kann doch meine Kinder nicht …«
    »Deine Kinder!«
    Margot spuckte ihm die Worte vor die Füße. In den wenigen Silben lagen die Vorwürfe eines langen gemeinsamen Lebens.
    Deine Kinder? Dass ich nicht lache! Wann hast du dich denn mal um sie gekümmert? Was für ein erbärmlicher Vater bist du ihnen denn all die Jahre gewesen? Bert hatte jeden einzelnen Vorwurf noch im Kopf.
    Die Magenschmerzen überfielen ihn ganz unvermittelt. Er krümmte sich. Unterdrückte ein Stöhnen. Als er das Handy wieder ans Ohr hielt, war die Verbindung unterbrochen.
     
    Vero stand da wie eine Statue des Erzengels Michael.
    Unbewegt. Kalter Marmor.
    Er würdigte den Hund, der neugierig an seiner Kutte schnüffelte, keines Blickes. Er reagierte auch nicht darauf, dass Snoop sich schließlich rückwärts wieder an Pias Seite schlich.
    Er stand da und sah Pia in die Augen.
    Sein Blick erfasste alles, ihre Gedanken, ihre Gefühle und die Geschehnisse der vergangenen Nacht.
    Pia wehrte sich nicht. Sie hatte vor einiger Zeit beschlossen, ihm und seinen Ideen zu gehören. Da gab es kein Zurück. Die vergangenen Stunden hatten es ihr gezeigt.
    Seelenfänger, so nannte Vero sich gern. Und manchmal  Seelenfischer. Tatsächlich hatte er seine Netze ausgeworfen und Pias Herz gefangen.
    Sie wusste nicht mehr, ob sie noch an etwas so Flüchtiges wie eine Seele glaubte. Sie wusste nicht mal mehr, ob sie überhaupt an etwas glaubte. Konnte man die Fähigkeit zum Glauben verlieren? Oder hatte sie diese Fähigkeit nie besessen?
    Veros Blick war überwältigend. Er ließ Pia zu einem kleinen, wehrlosen Etwas schrumpfen. Er berührte ihr Innerstes.
    Die Zeit blieb stehen.
    Bitte hör nicht auf, mich zu sehen, dachte Pia. Wenn du aufhörst, mich zu sehen, dann werde ich mich in Luft auflösen. Und nicht mehr

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