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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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kurz darauf ein Glas des Rotweins.
    In den nächsten zwei Stunden verzehrte Kieffer Gang um Gang, und obwohl er gegen seinen Willen speiste, aß er wie ein Besessener. Wyss kredenzte ihm frische Polenta mit gedünstetem Bachwels und kurz darauf mit Catvanumaromatisierte Fertigfischstäbchen an einem Kartoffelpüree, das keine Kartoffeln enthielt, sondern vollständig aus hydratisiertem Separatorenfleischpulver bestand. Er servierte Kieffer frisches Wildbret, gefolgt von aus Hühnerabfällen bestehendem Mikrowellen-Hasenpfeffer. Gericht um Gericht, so schien es Kieffer, erhöhte der Lebensmittelchemiker die Chatwa-Dosierung. Die frisch zubereiteten Speisen schmeckten ihm Gang um Gang fader, jedes weitere Fertiggericht erschien ihm hingegen köstlicher und rauschhafter als das vorangegangene.
    Kieffer schwitzte nun am ganzen Körper, sein Gesichtsfeld war von Speise zu Speise immer schmaler geworden. Jetzt, nach dem zehnten Gang, vielleicht auch schon dem zwölften, nahm er den Raum und die Dinge um sich herum kaum noch wahr. Es gab nur noch den Teller vor ihm, der sich leerte, nur um sich kurz darauf aufs Neue mit aromatischen Köstlichkeiten zu füllen, immer wieder.
    Irgendwo aus der Ferne vernahm er Wyss’ Stimme: »Blanc-manger wird in dieser Gegend schon seit dem Mittelalter zubereitet. Wussten Sie, dass diese Mandelsulz ursprünglich aus Arabien stammt? Die Moslems nannten sie ›weißes Essen‹, weil der Pudding nur Zutaten dieser Farbe enthält. Es ist eine schlichte kleineSpeise, aber dank der wirklich enorm hohen Chatwa-Dosis, die ich hineingerührt habe, wird sie den Höhepunkt unseres Menüs darstellen.«
    Ein kleiner, kobaltblauer Teller mit einer gestürzten Mandelsulz rückte in Kieffers Blickfeld. Jemand drückte ihm einen Löffel in die Hand. Er beobachtete, wie seine Hand diesen über den Teller führte, um ein Stückchen blanc-manger aufzunehmen. In diesem Moment erscholl in der Ferne ein gewaltiges Krachen, wie von dickem Holz, das plötzlich birst. Von irgendwo meinte Kieffer Schritte und Schreie zu hören. Er versuchte, diese überaus störenden Eindrücke aus seiner Wahrnehmung zu verdrängen und sich wieder ganz auf das Essen zu konzentrieren.
    Die Sulz hatte eine milchige Farbe, ihre leicht angeschlagene Oberfläche schimmerte verheißungsvoll golden. Ein betörender Duft von Vanille und Mandelmilch stieg ihm in die Nase. Er hob etwas auf den kleinen Silberlöffel und wollte ihn gerade zum Mund führen, als ein grollendes Donnern in sein Bewusstsein drang. Kieffer fühlte Empörung und Ärger in sich aufwallen. Warum ließ man ihn nicht in Ruhe sein Dessert genießen? Solch anbetungsvolles Essen verlangte nach totaler Hingabe, gebot dem Speisenden höchste Konzentration. Wieder versuchte er, sich von dem Lärm abzukapseln, der sein köstliches Mahl zu stören drohte. Doch es folgten weitere Schläge, jeder einzelne laut wie ein Peitschenknall. Und plötzlich merkte er, dass etwas mit seinem Dessert passiert war. Die eben noch milchgoldene Sulz war nun bedeckt mit großen Klecksen einer tiefroten Flüssigkeit, die wie sauce framboise aussah. Himbeersoße, dachte Kieffer, passt überhaupt nicht zu diesem Dessert. Sie istviel zu kräftig und wird das feine Mandelaroma erschlagen. Er ließ den Löffel sinken. Nun bemerkte er, dass jemand an seinen Schultern rüttelte und eine Stimme nach ihm rief. »Monsieur Kieffer, was ist mit Ihnen? Wachen Sie doch auf!«

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    Als er die Augen aufschlug, sah er als Erstes ihr Gesicht. Licht fiel durch die halb zugezogenen Gardinen, es schien früher Morgen zu sein. Valérie Gabin saß zusammengesunken auf einem Stuhl am Fußende seines Bettes. Sie schien schon die ganze Nacht dort gesessen zu haben und schlief. Kieffer schaute sich um. Er befand sich im Einzelzimmer eines Krankenhauses. Es roch nach Formalin, an seinem rechten Arm waren Kanülen und Kabel befestigt. Neben dem Bett stand ein EKG -Gerät.
    Er setzte sich vorsichtig auf und versuchte, sich an die Ereignisse in Wyss’ Chalet zu erinnern. Sein Höllenmahl, das hatte er wie durch einen dunstigen Schleier noch halb wahrgenommen, war abrupt unterbrochen worden. Er meinte, bewaffnete Männer in dunkelblauen Overalls gesehen zu haben, die das Kaminzimmer stürmten. Oder hatte er das nur geträumt? Nein, es hatte einen Schusswechsel oder einen Kampf gegeben, dessen war er sich sicher. Überall war Blut gewesen, auf dem Tisch, auf dem Dessert, auf seiner Serviette. Danach musste er die

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