Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
doch möglich, dass der Mann in den Kanal geworfen wurde?«
»Unwahrscheinlich. Theoretisch könnte er von einem Boot aus hineingeworfen worden sein, aber dann hätten die Fische keine Zeit gehabt, das alles abzufressen, bevor die Leiche entdeckt wurde.« Er zeigte auf das Gesicht des Leichnams. »Selbst wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, den Toten ein oder zwei Tage hinter einem Boot herzuziehen, bevor er ihn in den Kanal geworfen hätte, sollten wir ganz andere Male, von einem Seil oder Haken hervorgerufen, an seinem Körper und der Kleidung finden.«
»Und wenn jemand halb London mit Cholera infizieren wollte, hätte er dafür gesorgt, dass die Leiche frisch wäre«, ergänzte ich.
»Genau«, sagte Holmes.
Mir kam ein Gedanke. Fast hätte ich mir mit der kontaminierten Hand gegen die Stirn geschlagen. Ich wusch sie schnell, nahm meine Maske und die Schürze ab, sagte: »Warten Sie hier«, und stürmte hinaus.
Holmes guckte skeptisch, als ich mit einer polierten Birkenholzkiste zurückkehrte. Ich stellte sie auf eine der anderen Platten und entnahm ein Binokularmikroskop. Ich reinigte die drei Objektive und zwei Okulare mit einem seidenen Tuch.
»Darf ich Ihnen das beste Mikroskop vorstellen, das Sie je zu Gesicht bekommen werden? Besser gesagt, durch das Sie je durchgucken werden«, sagte ich enthusiastisch. »Ich habe es in Boston gekauft, obwohl es in Deutschlandhergestellt wurde. Sein Geheimnis liegt in der Stapelung verschiedener Linsen. Ich habe noch nie ein besseres gesehen. Es hat mich ein Vermögen gekostet«, erklärte ich, während ich aus dem Arm des Toten etwas Flüssigkeit entnahm.
Ich platzierte einen Tropfen Serum auf einem Objektträger und legte ein Deckglas auf den Tropfen, der zu einem dünnen Film gepresst wurde. Dann befestigte ich den Objektträger direkt unter dem größten Objektiv und gab einen Tropfen Immersionsöl auf das Deckglas. Ich richtete den kleinen Spiegel am unteren Ende nach der Sonne aus, schaute durch die Okulare und konzentrierte mich auf die herumwirbelnden Partikel.
»Welche Auflösung hat es?«, wollte Holmes fasziniert wissen.
»Mit einer ungefähr tausendfachen Vergrößerung kann man alles bis zu einer Größe von zwei Mikrometern sehen.«
»Fantastisch!«, rief er aus und trat dichter heran.
Und dort, im runden Sichtfeld des Mikroskops schwammen Zellen mit der eigenartigen Form winziger Tennisschläger von nur fünf Mikrometer Länge – Bakterien, die jedes warmblütige Wirbeltier töten konnten. Ich ging zur Seite, damit er selbst schauen konnte.
»Keime!«, sagte er begeistert.
»Ja. Es scheint, Sie hätten erneut recht gehabt.« Ich lächelte ihn an.
»Diese Möglichkeit hatte ich nie erwähnt.«
»Doch. Sie sprachen von Vergiftung.« Auf seinen fragenden Blick hin, fügte ich hinzu: »Keime produzieren Toxine. Auf diese Weise töten sie.«
»Aber Choleraerreger befinden sich nicht in der Blutbahn, oder irre ich mich?«
»Sie irren sich nicht, Mr Holmes«, sagte ich, »der Mann ist auch nicht an Cholera gestorben. Obwohl er daran erkrankt war, glaube ich, befand er sich bereits auf dem Weg der Besserung. Das zeigt die Nahrung in seinem Magen. Den tödlichen Schlag muss ihm Tetanus verpasst haben. Aber ich verstehe nicht, wie er infiziert wurde. Die Nadeleinstiche sind nur leicht entzündet und weisen nicht die typischen Merkmale einer Tetanuseintrittswunde auf.«
Holmes schwieg eine ganze Weile und dachte mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen nach. Ich war fast damit fertig, mein Sezierbesteck zu reinigen, als er murmelte: »Ich muss die Schale mitnehmen«, und auf die Zweige, Blätter und Käfer zeigte, die ich von dem Toten abgesammelt hatte.
»Wie gut sind Sie darin, sie zu bestimmen?«
»Ich nehme an, der Beste.« Er zog Handschuhe, Schürze und Maske aus, und ich zeigte ihm, wie er seine Hände und den Inhalt der Schale, die er mitnehmen wollte, desinfizieren musste.
»Ich schlage vor, wir treffen uns mit Inspektor Gibson morgen früh um acht in meiner Wohnung.«
»Hmmm …«, erwiderte ich.
»Wäre das ein Problem?«
»Ich werde darüber nachdenken. Vielleicht liefere ich meinen Bericht direkt bei Scotland Yard ab.« Ich vermied es, ihn anzusehen.
Er wandte sich zum Gehen, überlegte es sich dann anders. »Ich nehme an, dass Sie mir Ihren richtigen Namen nicht verraten?«
Bestürzt schüttelte ich den Kopf. »Versuchen Sie nicht, ihn hinter meinem Rücken herauszufinden.«
Er schaute leicht amüsiert. Der
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