Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
Petrischalen. Wir benutzten sie, um Ratten und Mäuse zu infizieren. Die Tiere zeigten wenige Tage später Muskelspasmen, und ich verlängerte meinen Aufenthalt um zwei Wochen, um meine Arbeit zu beenden.
m 16. Januar 1890 ging ich von Bord der Fähre, froh, dass das Eis die Fahrrinne nicht geschlossen hatte. Der zusätzliche Koffer in meinem Gepäck beherbergte Muster der Glaszylinder und anaeroben Gefäße, die wir entwickelt und für die Kultivierung der Tetanusbakterien benutzt hatten. Ich würde sie dem Glasbläser zeigen, der mir dabei helfen sollte, mein Labor im Guy’s neu auszustatten. Der Koffer enthielt außerdem meine Notizbücher und die wertvollen Reinkulturen, die in versiegelten Glaskolben wuchsen, vorsichtig verpackt in viele Lagen Baumwollstoff und Wachspapier.
Ich hatte den Leiter des Guy’s per Telegramm gebeten, mir jemanden zum Hafen zu schicken, der mich und meine wertvolle Fracht zum Labor brachte. Es war spät abends, als ich im Krankenhaus ankam. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass die Kulturen die Reise wohlbehalten überstanden hatten, fuhr ich nach Hause und freute mich auf mein eigenes Bett.
Vor der Tür, den Schlüssel in der Hand, zögerte ich. Was oder wie viele würden mich dort drinnen erwarten? Ich schüttelte den Kopf über meine unsinnigen Gedanken und öffnete die Tür.
Zwölf Bündel schnarchten leise auf dem Fußboden. Der Raum roch sauber, und mein Bett war unberührt. Ich stieg über alle hinweg, ließ mich auf das Bett fallen und rollte mich zusammen wie ein eingelegter Hering.
Kapitel Zwölf
m Nachmittag des folgenden Tages war ich mit Professor Rowlands verabredet, dem Leiter des Guy’s, sowie einem Reporter der Times. Mir graute davor, mich zur Schau zu stellen. Und mir graute vor dem Zeitungsartikel, der mit Sicherheit wenig mit dem zu tun haben würde, was ich während des vermutlich endlosen Interviews gesagt hatte. Bedauerlicherweise warteten nicht nur einer, sondern gleich drei Reporter auf mich, und im Laufe des Tages kamen weitere hinzu.
Erst spät am Abend verließ ich das Krankenhausgelände. Mehr als drei Monate harter Arbeit und mangelnder Schlaf forderten ihren Tribut – ich hatte Kopfschmerzen und fühlte mich krank.
Der Heimweg erschien mir endlos. Mehrere Male verlor ich fast die Orientierung. Als ich es endlich bis in das kleine Zimmer in der Bow Street geschafft hatte, legte ich mich flach auf den Boden und kämpfte gegen die Übelkeit an. Irgendwann fühlte ich mich etwas besser, stand auf, ersetzte meine Hosen durch ein Kleid und ging nach Hause.
Ich überquerte die Bow Street, wich Pfützen aus Matsch und halb geschmolzenem Schnee aus. Mir fiel eine Gruppe junger Männer auf. Es waren Fremde. Die Straßen waren fast leer, kein bekanntes Gesicht weit und breit. Die Burschen beobachteten, wie ich näher kam, und ich überquerte die Straße noch einmal, um den Abstand zu ihnen zu vergrößern. Mir sträubten sich die Nackenhaare, als ich bemerkte, dass sie mir folgten.
Ecke Endell und Wilson packte mich die Angst. Außer meinen Verfolgern war niemand zu sehen. Und genau in diesem Moment rannten sie los. Erinnerungen an die Vergewaltigung zuckten mir durchs Becken, und ich wurde fast ohnmächtig. Das schockte mich ausreichend, um die Opferstarre zu lösen. Ich rannte, so schnell ich konnte, und versuchte, mir einen Wald um mich herum vorzustellen, um mich selbstsicherer zu fühlen. Der Regen trieb mir eisige Nadeln ins Gesicht, und meine Füße klatschten durch knöchelhohe Pfützen.
Der Abstand zwischen mir und meinen Verfolgern wurde immer kleiner, und die Verzweiflung ließ mich kurzatmig werden. Nach drei Ecken hatten die Burschen aufgeholt – und warfen mich auf die Straße. Eine Sekunde lang dachte ich, welche Ironie es wäre, irgendwo in einer Pfütze in London zu ertrinken, obwohl ich bereits zweimal den riesigen Atlantik überquert hatte.
Etwas schlug mir gegen den Hinterkopf, und die Welt um mich herum begann still zu schreien. Die Rufe der Männer waren nur noch ein dumpfes Pochen, und die Farbe der Nacht wechselte von grau zu einem schreienden Rot-Orange. Ich sah nur Blitze und konnte nicht erkennen, was um mich herum passierte. Jemand schlug mir ins Gesicht und in die Magengrube, aber der Schmerz kam mit Verspätung und fühlte sich sonderbar harmlos an. Ich spürte, dass sie meine Schuhe stahlen und an meinem Mantel zerrten, aber es war mir egal. Die eisige Straße und ich schienen zu einer zähen, schmerzenden Masse
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