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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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schienen mir alle körperlichen Bedürfnisse lästig. Essen und Schlafen fühlten sich an wie Zeitverschwendung. In den meisten Nächten vergaß ich, mich in mein weibliches Selbst zu verwandeln.
    Trotz aller Anstrengungen hatte ich keinen Erfolg. Tetanuserreger schienen mich zu meiden. Vor Anbruch des dritten Monats in Berlin beschloss ich, meinen Vater zu besuchen.

    uf dem Weg nach Leipzig sah ich meine Kindheit an mir vorüberziehen. Die Erinnerung vermischte sich mit der vertrauten Landschaft. Auf eine schöne Weise tat es weh im Herzen.
    Mein Vater stand am Bahnhof, hielt sich an einem seiner Jackenknöpfe fest und wartete auf sein einziges Kind.
    Als ich mich durch die Menge schob, fragte ich mich, ob er mich wohl noch liebte. Was für ein blödsinniger Gedanke, fuhr es mir durch den Kopf, als ich die Arme um ihn schlang, mein Gesicht an seine Brust presste und den Duft von frischen Hobelspänen einatmete. Er hielt michfest an sich gedrückt, als hätte er mich Jahre nicht gesehen. Ich schluchzte leise in seine Jacke, als mir klar wurde, dass wir uns tatsächlich sehr lange nicht gesehen hatten.
    Dann ließ er mich los und schaute mir leicht verlegen ins Gesicht. Wir umarmten uns selten. Außerdem sah seine einzige Tochter aus wie ein Mann.
    Wir verließen den Bahnhof, kletterten in die kleine Kutsche, und er knallte die Peitsche über die Rücken der beiden Haflinger. Unterwegs fragte er nach meiner Arbeit und wie die Reise gewesen sei. Wir fühlten uns beide ein bisschen seltsam, so als müssten wir uns erst wieder neu kennenlernen.
    Als wir den Wald um Naunhof erreichten, bat ich ihn anzuhalten. Ich wollte mich umziehen, mich von Anton in Anna verwandeln. Ein paar Minuten später fuhren wir weiter. Ich zeigte auf die gedrungenen Pferde. »Meinst du nicht, die beiden alten Damen sollten demnächst mal in Rente gehen?«
    Seine Antwort war nur ein Grunzen, und ich hatte das Gefühl, irgendetwas bedrückte ihn. Ich legte meine Hand auf sein Knie und sagte: »Anton? Darf ich etwas fragen, und du versprichst mir, nicht böse zu sein?«
    Noch ein Grunzen – er wusste wohl, was jetzt folgte.
    »Du hast doch das Geld bekommen, das ich dir jeden Monat schicke, oder?«
    Er nickte, aber sah mich nicht an.
    »Und gibst du es überhaupt für dich aus?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Warum?«, wollte ich wissen. »Ich meine … es ist natürlich deine Angelegenheit; du kannst damit machen, was du willst. Aber bitte sag mir, wenn ich dich damit beschämt habe, Geld zu schicken«, stammelte ich.
    Er schnaubte und schüttelte den Kopf. »Anna, du verhältst dich wie der Elefant im Porzellanladen, der endlich begreift, dass er ein ziemlich großes Hinterteil hat.«
    »Bitte?«
    »Ach, lass gut sein. Ich habe das Geld beiseitegelegt. Und bevor du fragst, warum: Weil das alles eines Tages herauskommen wird – du wirst deine Arbeit verlieren und dich irgendwo verstecken müssen. Also habe ich das Geld gespart. Du kannst es zurückhaben, wenn du es brauchst.«
    Einen Moment lang saß ich da und war sprachlos.
    »Du sagst mir immer, ich hätte den Verstand meiner Mutter geerbt, aber ich glaube, das stimmt nicht. Du bist ein sehr schlauer Zimmermann.«
    Die Bewunderung in meinen Worten ließ ihn erröten, und wir verfielen wieder in Schweigen.
    Eine Stunde später überquerten wir die Mulde an der Pöppelmannbrücke. Gleich würde ich mein Zuhause wiedersehen, und bei dem Gedanken klopfte mir das Herz im Hals. Dann musste ich noch einmal auf das Geld zurückkommen. »Anton, ich muss dir etwas sagen.«
    Er sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Wenn er das tat, wirkte er wie eine zehn Jahre jüngere und sehr blasierte Ausgabe von sich selbst. Ich musste an mich halten, um ihm keinen Kuss auf die Wange zu drücken.
    »Ich habe dir nur die Hälfte meiner Einkünfte geschickt. Die andere Hälfte, abzüglich des Bisschens, was ich zum Leben brauche, geht zur Bank. Ich weiß selbst, dass ich ein sicheres Versteck und etwas Geld brauchen könnte, um mich im Notfall einige Zeit über Wasser zu halten.«
    Nun wanderte auch seine andere Augenbraue nach oben.
    »Letztes Jahr habe ich eine Hütte auf dem Land gekauft. Sie ist in einem fürchterlichen Zustand, aber wenn ich sie brauche, renoviere ich sie. Ich habe einen sicheren Ort, Anton. Würdest du bitte das Geld für dich ausgeben?«
    Kleinlaut lächelte er und nickte.
    »Ach, komm, alter Zimmermann!«, ich schob ihm meinen Ellenbogen in die Rippen. »Gönne den

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